Autor Thema: 2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer  (Gelesen 1604 mal)

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« am: 26.10.2014, 00:00:00 »
Datum: 2014-10-26
Event: Ljubljanski Maraton
Distanz: 42.195 km

Ersteller: Selbstläufer

Offline Selbstläufer

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #1 am: 26.10.2014, 00:00:00 »
Laibach, eine kleine Übung in Demut

Die morgendliche Kühle wie der böige Wind war im Startblock schon bald nicht mehr zu spüren. 20 min. vor dem Start, hieß es, würde der erste Startblock (M sub 03:15, HM sub 01:35) geschlossen. Ich war zeitig vor Ort, nahm vielleicht 5 m hinter der vorderen Absperrung des Blocks meinen Platz ein, um möglichst vielen Bremsern am Start aus dem Weg zu gehen. Es gab allerdings keine Zuordnung zu den Startblöcken, ergo auch keine Kontrollen. Und je voller es bei uns wurde bevorzugten immer mehr das Überklettern der seitlichen Absperrung, um vorne in meiner Region Aufstellung zu beziehen. Wahrscheinlich spielen hier kulturelle Unterschiede hinein, denn der Zuzug der Springer wollte kein Ende nehmen. Schließlich standen wir dort dermaßen kompakt, dass man tatsächlich an allen Seiten fest gegen andere Läufer gepresst war, wirklich fest. Sardine quasi Paradies. Die Läufer waren das dort offenbar gewohnt, im Gegensatz zu mir und den Uhren, die unten im Dunklen versenkt ihre Internetverbindung verloren, weswegen einige immer den Uhrarm aus der Tiefe hervorwurschtelten und ihn, sonst blieb wirklich nicht viel Vernünftiges übrig, wie einen Fahnenmast in die Höhe streckten.
Irgendwann hat das Ganze begonnen sich naturgemäß einmal sehr langsam in Bewegung zu setzen. Die Worte des Sprechers hab ich nicht verstanden, an einen Startschuss kann ich mich zumindest nicht erinnern. Und auf die Uhrzeit schauen war nicht. Es kommt bereits zu Laufbewegungen, wir kommen durch aufblasbare Bögen durch, ich trete auf eine Matte und drücke den Startknopf. Geschehen ist geschehen, keine Ahnung was das für eine Matte war, mit der Zeitnehmung und damit der Startlinie hatte sie aber sicher nichts zu tun. Aber beim Laufen natürlich besser zu früh als zu spät abgedrückt.

Auf der großen breiten Ausfahrtsstraße beginnt das Feld aufs Tempo zu drücken und ich werd wie erwartet grantig über die vielen unnötigen Bremser. Die Überraschung gesellt sich dazu, wie viele es hier doch davon gibt. Km 1 in 04:01, km 2 sehe ich vor mir den sub3-Pacer samt Traube, alles vor einer nahenden Straßenverengung - und ich immer noch im Gefühlsmodus unterwegs. DIE bremsen mich sicher nicht, mit Gas vorbei, km 2 in 03:54... Die ersten 4-5 km geht es kerzengerade mehrspurig dahin und nachdem ich zu Beginn etwas emotionell unterwegs bin pendelt sich mit km 3 alles nach Plan ein. Die Straße gefällt mir, die Läufer sind deutlich weniger und mir gleich um Ecken sympathischer geworden und ich nehme entspannt Tempo raus. Vielleicht nicht gleich alles auf ein Mal - die ersten 5 km in 04:01 - aber km 6-10 bin ich auf 04:07 herunten. Es macht Spaß, alles läuft locker.

Damit bleibt mir jetzt einmal Zeit, den Plan nachzutragen. Der war sehr einfach gehalten. 04:06 durchziehen. Mit folgender Einschränkung: so laufen, dass ich bei km 30 nicht schon wieder den sterbenden Schwan am Bühnenrand aufziehen sehe, und wenn es etwas zum Beschleunigen gibt, dann vielleicht wenn geht zart bei km 30 und wenn noch was da ist auf alle Fälle bei km 37 - der Nummer "meiner" Fahnenstange.
Wir kommen durch Wohngebiete am Stadtrand und in Sachen Publikum und musikalischer Unterhaltung passiert nicht viel entlang der Strecke, doch in schöner Regelmäßigkeit stehen kleine Gruppen von Anwohnern die applaudieren und uns aufmuntern zurufen. In meiner Erinnerung war alles eine Spur freundlicher und mit etwas mehr Anteilnahme als bei uns in der Liga von Graz oder Linz. Nichts Spektakuläres, aber mir gefällt´s.

Das Wetter bleibt meist bedeckt, es ist trocken und die Temperatur ist bis zum Schluss ideal. Nur den Wind hätt´s wirklich nicht gebraucht, im Wunschkonzert. Die Strecke ist weitgehend flach bis hierher und mittlerweile führt sie uns richtig raus ins Grüne. Durch das Durchspielen des Höhenprofils auf Runmap war ich gewarnt, dass es bei km  15 30 hm hinaufgehen würde. Die Laben stehen alle 5 km und ich beschließe bei km 15 einen ersten kleinen Schluck zu trinken, oben am Hügel dann. km 11-15 laufe ich in 04:08. (Bemerkung zu Zeiten und Tempi: alle 5 km-Angaben sind Pentek-Daten, alle Detail-km kommen aus meiner Autolap.)
Weiter geht´s durch Wiesen und Wälder wieder hinein Richtung Zentrum, um die Halben ihrem Ziel entgegen zuführen. Die ziehen mittlerweile natürlich ein bisschen an oder lassen ein wenig aus, mich beeindrucken sie damit nicht mehr und nehme km 16-20 mit 04:07. Okay, der Autolap-km  21 ist mit 03:58 flotter, aber jetzt wird der aktuelle Boulevard in der Mitte geteilt - ich bin der Einzige der rechts läuft. Hab extra nachgefragt. Nach einer Kurve sind die Halben weg. 150, allenfalls 200 m vor mir der Nächste, dann knapp vor dem nochmals ein kleines Grüppchen von 3,4,5 Läufern. Hinter mir muss länger keiner gekommen sein, denn der Applaus der Zuschauer hätte das angezeigt.

Achtung, fast hätte ich es vergessen: bei der 20er Labe setzt der Nachschub ein. Das hab ich mir von Pep´s Berlin-Ausflug einfach nach Laibach kopiert: Gel bei 20, 25, 30 und 35.

Bevor wir uns dem 2. Buch zuwenden, noch die Pentek-Angabe zu km 1-20: 04:06, haargenau. Nun beginnt der Abschnitt in dem ich das Fach wechsle und statt Marathon Ultra laufe. Nach dem ersten HM beginnt der zweite, den ich zur Gänze alleine laufen werde. Klar, dass das keine Weltpremiere ist, aber es ist besser, dass ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst habe.


Schnitt


Der zweite Teil der Strecke ist genauso lang wie der erste, nur dauert er länger.
Er beginnt wieder im Stadtinneren und führt raus ins Umland. Und wie zu Beginn berührt mich der Marathon der Menschen wegen. Einmal haben wir da die schlagartig leer gewordene Fahrbahn, was mich nicht grundsätzlich aber doch des Ausmaßes wegen überrascht. Und wie zu Beginn lichten sich zügig die Zuschauer entlang der Straßen, bis sie schließlich beim Erreichen der reinen Wohngebiete da und dort in Form kleiner Grüppchen auftreten. Bitte und was machen die? Die feuern alle MICH an. Missverständnis völlig ausgeschlossen weil ja sonst keiner da ist. Eh schon toll, dass da überhaupt wer steht und zuschaut, so wie ich das von uns her kenne, aber die rufen und applaudieren mir zu. Ich freu mich so! Hab ich bisher bei früheren Läufen, sagen wir, drei mal während des Rennens zurück applaudiert mache ich es jetzt drei mal am km. Marathon ist Menschen.

Nun richten wir unsere Aufmerksamkeit schön langsam einem Einzelnen zu, nämlich demjenigen vor mir. Der hält seinen Abstand und kommt selbst der lockeren Gruppe vor ihm etwas näher. Für mich ist er zu weit weg, noch. Die Distanz verstellt die Aussicht ihn bald zu schnupfen. Ich bleibe ruhig: das wird schon. Erinnerungen an einen schwach besuchten 21 km-Lauf im Frühjahr tauchen auf, 2 Mal dieselbe Ausgangslage. Nach jeweils 4-5 km war damals jeder dran. Eine Karotte vor der Nase reicht mir, oder lass es meinetwegen einen Hasen sein.

Nur der Wind, der bläst jetzt brav entgegen und so ab km 24 hat er auf den offenen Wiesen und Feldern auch reichlich Platz dafür. Er ist nicht übermäßig stark, einfach unangenehm und vor allem sehr hartnäckig. Er kostet Kraft und zehrt an meinen Nerven. Überhaupt beginnt mich dieses ganze Setting jetzt anzuzipfen. Alleweil der Wind und ich allein mittendrin während die paar anderen dort weit vorne schön kuscheln können. Und ich bin hier um einen Stadtmarathon zu laufen, dabei ist jetzt die Stadt weit hinter mir und ich muss da in der Pampa in die verkehrte Richtung hinaus aufs Land rauslaufen, allein im Wind. Erinnerungen heuer an Linz tauchen auch auf. Dort hatte ich in diesem Abschnitt km 20-30 zu stark aufs Gas gedrückt, das gilt es jetzt auf alle Fälle zu vermeiden, also Schlüsselpassage noch dazu. Mit diesem Potpourri schlechter Schlager macht sich in mir etwas Stumpfes breit, das ohne jede Perspektive weiterläuft. Es läuft so gut es eben kann, ohne Kanten, ohne Biss, ohne Menschen, ohne Stadt, ohne Natur. Nur  der Wind zehrt. Ich bin im Umland-Ultra.

10 km hab ich gebraucht bis ich den vor mir geschnupft habe. Der hat sich übernommen und beginnt nun bei km 30 deutlich auszulassen. Auf gleicher Höhe grüßen wir uns still mit einem Blick und er hat die Größe über alles zu lächeln.

km 21-25: 04:11
km 26-30: 04:12

Laut meinen Autolap-km bin ich km 21-25 weiter mit Schnitt 04:06 unterwegs, also kein Grund zur Sorge. Beim Vergleich der 30er Durchgangszeit fällt mir der Abfall ins Auge. Okay, schlechter als geplant, doch Hopfen und Malz sind noch nicht verloren. Die zurückkehrenden Lebensgeister flüstern mir zu, dass ich den Lauf zumindest ins Ziel bringen werde und ich bin so müde, das als beruhigende Nachricht unter mein Kissen zu legen.
Ich frage mich, ob ich Kraft habe, schneller zu werden, finde aber nichts Erhellendes in der Frage. Also einfach weitermachen und wenn es geht, ab km 32 schneller werden. dann ist es nur mehr ein 10 km-Lauf, hart aber absehbar. Schau, da vorn steht einer mit Krämpfen, macht gleich wieder weiter, ist geschnupft. Bei km 31 lege ich etwas nach aber das Feuer hält nicht an. Das Mantra des Körpers: einfach weitermachen.

An der östlichen Stadtgrenze führen meine Straßen entlang, der Wind hat sich jetzt endgültig verzogen, dafür beginne ich armes Mimoserl unter Unterführungen und kleinen Kuppen zu leiden. Nirgends mehr als 5, max. 7 hm, aber wie mir inzwischen vorkommt taucht dauernd eine Neue auf. Weitermachen. Zuschauer gibt es in dieser Phase km 30-35 kaum mehr als Läufer die ich überhole, gefühlt. Vielleicht einen pro km. Aber das Zuschauerthema kommt nicht mehr über meine Aufmerksamkeitsschwelle. km 36+37 spüre ich das nachlassende Tempo, es sind meine langsamsten Autolap-km mit 04:18/19. Wenigstens erreiche ich diesmal km 37 ohne der km-Stange meine Meinung zum Ausdruck bringen zu müssen. Ich bin am Ball, aber ich muss schneller werden, ab km 37 draufhalten. Leider spielt es das nicht wirklich. Zur Ablenkung und zum Trost tauchen jetzt häufiger andere auf die zum Einsammeln sind, darunter meine ersten zwei Kenianer. Die laufen noch immer wunderschön während ich längst im irgendwie-Modus bin.
Alles in allem waren es vielleicht 12, 13, 14 Läufer die mir am 2. HM, Stil hin oder her, Auftrieb geschenkt haben. Die letzte von ihnen war sogar eine Läuferin.

km 31-35: 04:14
km 36-40: 04:15

Zum Schluss ist es bekanntermaßen hart, die Durchgangszeit bei km 40 entsetzt mich allerdings, denn ich liege ja sogar mit Kurs total jenseits 02:55 über der Quali für Berlin 15, meinem Reserveziel. Ich geh jetzt auf Anschlag, vielleicht derrenn´ ich es. Plan  Halbgott.
Ich hab gewusst dass es noch eine kleine Schleife in der City gibt, quasi Krems für Anfänger. Und noch einen verdammten Hügel mit Pflastersteinen rauf. Ich so im Vollgas, dass bei jedem Schritt eine Münze geworfen wird ob ich weiterlaufen kann oder erst im Zelt aufwach. Diesmal reißt sich Fortuna wirklich zusammen. Endlich wieder die große Hauptstraße entlang, Sprintsprint ins Ziel.

Total 2:55:37 blendet das große digitale Anzeigenboard ein. Mehr braucht´s nicht.
km 41-42,195: 04:08
km 21-42,195: 04:12

Wenig später kommt die Läuferin ins Ziel und gratuliert mir. Schreiben wir es einem Mangel an Sauerstoff zu, dass es meinerseits zu keinerlei Reaktion gekommen ist.
Auf dem Weg persönlicher Ziele entgegen, sollte Laibach einfach ein Aufbauwettkampf gewesen sein. Ein paar Erfahrungen gemacht, ein paar Schrauben gefunden an denen ich drehen könnte und wer weiß schon, was noch alles auf mich wartet. 2015 geht´s weiter.
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Offline CobbDouglas

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #2 am: 29.10.2014, 13:02:38 »
Ich glaub der zweite Teil wir der spannende, aber mal gut gesetzter Cliffhanger :)
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Offline cbendl

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #3 am: 30.10.2014, 12:39:55 »
Ein guter Einsteig, das dürfte noch spannend werden.

Eine Frage schon jetzt - Gab's denn keine Kilometermarken, dass du mit Autolap gelaufen bist?
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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #4 am: 31.10.2014, 07:29:49 »
....ja, spannend :-)
Wann geht's weiter?
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Offline heitzko

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #5 am: 06.11.2014, 07:56:56 »
ich warte auch schon ganz gespannt!!!

Online Pizzipeter

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #6 am: 08.11.2014, 10:40:47 »
Danke für den zweiten Teil :-)
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Offline Anna

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #7 am: 08.11.2014, 14:09:48 »
Das Warten wurde ich nicht enttäuscht  - toller Bericht. Erinnert mich irgendwie an Haruki Murakami (Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede).

Offline Diana11

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #8 am: 08.11.2014, 21:00:29 »
Deine Berichte und Blog-Einträge zählen zu den Highlights im Forum ... Danke dir vielmals!!!
WETTKAMPFSCHWAMMERL
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Offline heitzko

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2014-10-26 Ljubljanski Maraton - Selbstläufer
« Antwort #9 am: 10.11.2014, 20:30:01 »
wow das ist spannend gewesen! schwer beeindruckend wie du da am schluss noch einmal alles herausgeholt hast!!!

 

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