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2024-06-22 Veitscher Trailrun - Grenzstaffellauf - Ulrich

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Berichte:
Datum: 2024-06-22
Event: Veitscher Trailrun - Grenzstaffellauf
Distanz: 54,000 km

Ersteller: Ulrich

Ulrich:
 
 
 
So Mittel und doch wieder meins
Bernhard. Diesmal war Bernhard mein Man of the Race. Ganz einfach, weil ich mich schon seit vielen Jahren immer mit der Hoffnung trug, dass wir gemeinsam einmal am Start in der Veitsch stehen könnten. Nun heuer war es soweit. Er war auch so nett, mich gemeinsam mit Dirk und Jerome aus Wien mitzunehmen, sodass auch die Anfahrt problemlos verlief. Der Wetterbereich hatte in den letzten Tagen auch noch etwas Spannung versprochen, also insbesondere in jenen Sphären, die für Regen und Gewitter zuständig waren. In den Tagen vor dem Lauf stand die Hitze recht drückend über Wien (auch über dem restlichen Ö, soweit ich in Erinnerung habe). Nein, das wäre nicht das Wetter der Träume. Doch da war dann noch die Wetter App am Handy, ebenso wie sämtliche Prognosen. Sie sagten eine Abkühlung in der Nacht auf Samstag mit Regen und Gewitter voraus, die dann auch absolut punktgenau so kam. Wir fuhren noch bei schönstem Wetter aus Wien weg, in dunkles Wolkenschloss begrüßte uns am Horizont, bis wir im Semmeringtunnel die Wetterscheide passieren und fortan hellere Wolken vor uns haben. Hellere Wolken und Regen.
 Als wir im Dorf Veitsch ankommen und einen perfekten Parkplatz gleich beim Zieleinlauf gefunden haben, hat sich der Regen weiter verstärkt. Noch schüttet es zwar nicht, aber als wir im großen Zelt der Organisation stehen waschelt es so stark, dass ich mich konzentrieren muss, um die Leute zu verstehen. Noch ist aber Zeit, noch haben wir fast eine Stunde zum Start.


Und wirklich, das Wetter beruhigt sich, wir haben 20 Minuten vor dem Start perfekte Temperaturen, auch der Regen hat sich entladen. Meine Überlegung, ob ich mit einer Regenjacke starten möchte (nach meinen Erfahrungen 2022 schwor ich mir, nie mehr ohne Jacke zu laufen) konnte ich zugunsten einer viel leichteren Windjacke kübeln, all meine Dropbags sind abgegeben, sogar ein Selfie mit dem Organisator geht sich aus nun… es kann losgehen.


Locker durch den Ort, dann möglichst schnell in den Gehschritt, um beim langen Anstieg zur ersten Labe keine Energie zu vergeuden. Bernhard holt mich ein, wir plaudern, bis er dann an der Labe kurz auf Dirk wartet. Ich versuche meinen Rhythmus zu finden, gehen, laufen. Nun es fühlt sich alles recht brauchbar an, mir tut nix weh, ich bin vielleicht nicht zu 100% frisch, aber das macht nichts. Ich fühl mich gut. Labe für Labe zieht vorbei, ich schalte recht bald mangels eines Gesprächspartners meinen MP3 Spieler ein. Ich weiß, die Natur macht die schönste Musik, aber.. ich genieße es einfach, wenn meine ohnehin schon jubelnden Endorphine noch weiter zum tanzen angeregt werden. Das eine oder andere Mal wundere ich mich sehr über die Abweichung meines GPS-Tracks von der Streckenmarkierung, dann wiederum staune ich… welche Streckenmarkerung? Aber… irgendwie find ich den Weg dann schon aus meiner Erinnerung immer wieder. Den Forstweg runter, über die Straße, einen Dank an die Freunde und Helfer, die wieder einmal den Verkehr für uns stoppen und schon kann ich wieder einen kleinen Schluck an der Labe machen. Ach, irgendwie geht´s dann im Trott weiter, rauf gehen, sobald es etwas flacher wird, laufe ich ein wenig, runter dann sowieso. Ein klein wenig spüre ich, wie meine Zehen genervt sind, scheinbar habe ich die Socken eher zu straff über die Zehenkuppen gezogen, aber.. da kann ich jetzt auch nichts mehr machen. So, rauf.. ein wenig runter und dann recht lang rauf.. schon bin ich bei der ersten Wechselstelle. Bisher fühlt sich ja alles stressfrei an, ich hab scheinbar ca 25 Min auf die Cut-off Zeit, kann in Ruhe mein Leiberl wechseln, Futter laden und weiter geht´s. Ich schaffe es glorreicher Weise, ein Stück Kuchen irgendwo in meiner Nase bzw. den ganzen Seitengängen zu platzieren, doch nervt das auch noch wenige Kilometer. Ich plaudere mit einem jungen Kollegen, er ist 22 und startet mehr oder weniger in seine Laufkarriere. Ich freu mich sehr für ihn und beglückwünsche ihn zu sehr sehr vielen wunderbaren Erlebnissen der Zukunft. Da taucht hinter einer Biegung die Hohe Veitsch auf. Ja, dort geht’s dann rauf, hier her wollte ich. Und danke.. ich freu mich einfach


Aber noch waren da ein paar Kilometer bis zum Einstieg. Alles fühlt sich weiterhin gut an, zwar nicht perfekt, aber… ich komm gut weiter.
 Hinter einer Biegung dann jener rötliche Felsen, der für mich als Indiz für die Nähe der Rotsohl-Alm gilt, Hier wurde ja früher Erz abgebaut, was auch die rötliche Farbe und den Namen erklärt. Die Labe ist ein wenig nach hinten versetzt, ich versuche möglichst viel zu trinken und mache mich endlich wieder einmal auf in Richtung Teufelssteig. Klar, der Steig und auch der Anstieg zuvor ist steil und alles andere als leicht. Aber.. ich bin glücklich wieder hier sein zu dürfen.


Die tiefe Kuhweide, die Kühe im Wald und dann endlich der Einstieg in den Teufelssteig. Ich habe zwei Abschnitte, die ich an der Veitsch richtiggehend liebe. Den Teufelssteig (der ist einfach genial) und natürlich den letzten Downhill. Nun ich schaffe es sogar auch heuer wieder, vereinzelnd Laufschritte am Teufelssteil einzustreuen, klar, das ist eigentlich unnötig, aber Spaß hab ich trotzdem 😉. Durch die Latschenwälder einfach immer einen Schritt weiter rauf, bis man endlich.. ok, bei der Hälfte ist. Dann weiter. Plötzlich hinter mir ein bekanntes Gesicht. Eine Gämse namens Bernhard scheint die Steigung zu ignorieren und kommt schnell näher. Wir plaudern kurz, er zieht vorbei. Gleich sind wir beim Fotopoint angekommen, ich versuch dem „Teufelssteig“ Ehre zu machen und… bin oben angekommen. Hier ist es sehr windig, nicht kalt aber windig. Gut, dass ich meine Windjacke mitgenommen habe, sie leistet mir hier sehr gute Dienste. Ich kann sogar etwas besser als in meiner Erinnerung über die diversen Felsen laufen, heut macht es langsam Spaß. Eine sehr flotte Kollegin überholt mich, hinten an der Bergkuppe erkenne ich Jerome und versuche langsam aufzuschließen, bis ich ihn dann einhole. Er ist sehr locker drauf und gut gelaunt. An einem Schneefeld fotografiert er, ich darf auch aufs Bild, als ich ihn frage, ob er auch ein Erinnerungsfoto möchte, lehnt er dankend ab.



Nun, manchmal spielt meine Playlist genau den richtigen Soundtrack; zumindest für mich. Hüpft man im Takt von „i wanna be like you“ über das Hochplateau, so ist das schon durchaus spaßig () . Nun, dann noch durch meinen geliebten Latschenwald, dann noch einmal… gut noch eine kleine Steigung, Wasserteich, bald sollte die Kleinveitsch kommen.. noch 2 aber jetzt ist da wirklich schon der Blick auf die kleinen Hütten, ich bin auch in der Zeit, also schaff ich es 2024 auch wieder. Nicht viel langsamer als vor 17 Jahren. Ich mag die Strecke.


An der Labe wechsle ich noch einmal mein Shirt, trinke Iso und einen etwas zu großen Schluck Energydrink und mache mich wieder auf den Weg. Verdammt, irgendwie hat mein Magen da was nicht vertragen. Noch dazu schaffe ich es, mich auf dem kleinen Weg nach der Kleinveitsch zu verkoffern, wahrscheinlich schenke ich hier ca 5 oder 7 Minuten her, meine Stimmung leidet aber nicht wirklich drunter, ich habe meine 2 bisherigen Ziele erreicht, Teufelssteig und Kleinveitsch.



Die nächsten Kilometer hadere ich ein wenig mit meinem Bauch, ich fühle mich nicht wirklich gut, das ist aber OK. Alle Meter, Kilo oder Höhen sind nur ein Vorspiel für jene Strecke zwischen Mirlbauer und der Straße im Tal. Zwar habe ich keine Kraft mehr in den Beinen und auch nicht wirklich Freude, aber das ist egal. Ich bin jetzt hier und habe schon viel schlimmere Zeiten erlebt. Essen, manchmal setze ich mich hin und versuche mich an so mancher Kollegin, so manchem Kollegen zu orientieren, die oder der mich überholt. Langsam merke ich auch die Temperatur, es wird wieder wärmer. Bei einer Steigung bin ich verunsichert, ich spüre meinen Puls im ganzen Körper. Nicht extrem schnell aber sehr stark. Vielleicht schalte ich noch etwas zurück. OK ich geh ja eh schon, aber ein alter Mann ist ja kein Wasauchimmer… ich pass auf.
 Gleich darauf drehe ich mich an einer Labe um und sehe Dirk und Bernhard. Die beiden haben mich nun eingeholt und wirken richtiggehend unanständig relaxed. Bernhard tänzelt durch den Wald, Dirk erklimmt diverse Steigungen mit Bravour, Bergab kann ich zwar versuchen, ein wenig aufzuschließen, habe aber insgesamt wenig Chancen. Gut ich beiße um dranzubleiben.
 Eigentlich muss ich aber über ich selber lachen, ich lauf seit nun 17 Jahren immer wieder hier, heuer das 9. Mal und vergesse so manchen Abschnitt immer und immer wieder.


So glaube ich, ähnlich wie letztes Jahr immer und immer wieder, dass die letzte Labe nun aber wirklich gleich hinter der nächsten Ecke kommen sollte… Nope…. Da war dann immer noch ein steiler Anstieg, eine Ecke oder ein Downhill vorher, bis dann dieser kleine Stich links in den Wald rein geht, der die letzten Meter zum Mirlbauern markiert. Bernhard steht kurz an der Strecke, wir laufen gemeinsam zur Labe, an der ich mein überschüssiges Gewicht (nein ich pinkle nicht, ich gebe meine letzten Gels und Riegel ab) ablege und … nicht nur aber auch aus Tradition um ein Bier bitte. Ich bin leer, ich fühle mich nicht gut, aber… ich bin hier, weil ich diese Labe in meinen Träumen sehe und weil ich jene folgenden 3 Kilometer liebe wie keinen anderen Abschnitt eines Laufes sonst. Diese Kurven, dieses Gefälle ist meins, wie sonst keine andere Strecke. Musik laut, ich schrei mir Mut zu und… HEY, ES KLAPPT. Ich hab das Tempo, ich hab die Lockerheit, ich bin wieder da.
Bernhard und Dirk überhole ich als erstes, dann eine Kollegin, die sich unterm Lauf als nicht sehr kommunikativ erweisen wollte, noch 2 andere… hey, da war noch wer, und da unten ein Paar, ich glaub schon gar nicht mehr, dass ich sie alle einholen kann, doch laufe ich mit einer gefühlten Brutalität, die einfach nur wunderschön ist. Im letzten Jahr hatte ich eher das Gefühl, ich würde den richtigen Vorfußlaufstil pflegen, heute ist mir alles egal. Die Auswertung meiner Uhr sollte mir später zeigen, dass ich teilweise um die 3:40 unterwegs war einen Kilometer in 4:05. Wahnsinn, was für ein unglaublich geiles Gefühl. Zwar stresst die Belastung langsam, auch die Hitze macht mir zu schaffen, aber ich weiß nicht, ob ich hier noch einmal herkomme, daher genieße ich ohne Rückhalt, ohne Vorsicht und überhole noch ein letztes Mal.
 Nun geht’s rein in den Wald, über die Wiese auf die Straße. Mein Akku ist leer, ich trotte, gehe kurz, sehe weit vor mit Heinz der aber sowohl uneinholbar ist, als auch …. Nein, ich will auch gar nicht.
 Hinter mir kommt niemand mehr, ich schleppe mich über die Straßen, es ist hier drückend heiß und ich merke zum ersten Mal (nein wahrscheinlich fällt mir das eh immer auf), dass die Straßen ins Ziel doch eine gewisse Steigung haben.
 Carola begrüßt mich bei der Brücke vor dem JUFA-Hotel, ich laufe noch durchs Ziel.. Hey, gut was nicht, von den Zeiten eher so mittel.. Aber ich hab meine Lieblingspunkte erleben dürfen, ich liebe die Veitsch
 

Naturhexerl:
Schön  :juhu:
Danke, dass du uns teilhaben lässt!

MartinRa:
Sehr schöner Bericht. Man kann sich richtig gut hineindenken.

Anna:
Ulrich at his best - bravo  :applaus_klatsch: . Ohne dich wäre der Veitscher Trailrun nicht der Veitscher Trailrun.

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