Legends
Die Veitsch ist eine Legende. Die Veitsch ist ein besonderer Lauf, zumindest finde ich es. Und heute auch ca 200 Läuferinnen und Läufer auch. Und ebenso viele Freiwillige bei Start und Ziel aber vor allem an den unzähligen Labestellen. Und ich liebe den Lauf. Ich kann ihn nicht, aber ich liebe ihn. Ist aber glaub ich eh bekannt.
Heuer ist ja lauftechnisch nicht wirklich vieles gut gelaufen. Februar und März waren ja noch ok, aber ab Ostern gelang mit so gut wie kein einziger Lauf so, wie ich ihn erhofft hatte. Einmal blockierte meine Hüfte, dann war keine Energie in der Haxolatur, dann wieder zwickte es woanders. Ich hab zwar versucht, dran zu bleiben, zumal es nie „genug“ genervt hatte, bin meine Kilometer gehatscht, aber auch der VCM wie auch der Pragmarathon fielen ja sowohl unter die Kategorie „Pflichterfüllung“ oder „Vergess ma das schnell wieder“. Alexander Selbstläufer schaffte es, meine Beine perfekt locker zu bekommen, meine Osteo Michaela gab mir vor wenigen Tagen noch den letzten Schliff. So konnte ich es zumindest wagen, meinen Lieblings-Frühlingslauf ins Auge zu fassen. Eigentlich wollt ich mich ja erst heute anmelden, aber Heidi´s Info, dass eine Nachmeldung heute nicht mehr möglich wäre, gab dem Vorhaben gestern noch einen gewissen.. Pep
😉Heute dann, ich hatte mir ein Carsharing-Auto organisiert, einen kleinen Fiat 500, dessen Autoradio mich erst richtiggehend narrisch macht, doch irgendwann erklingt das Lied „Star walkin´ „ bei dem mir ein Satz schon seit längerem aufgefallen ist: „Why worship legends when you know that you can join 'em?“. Ich bin kein Fan der Götzenverehrung, ich lauf die coolen Läufe lieber selber mit….
Also Ankunft um 7:45 am Startgelände. Die Geschichte mit der Anmeldung hat tadellos geklappt, ein kurzer Plausch mit dem Organisator ergibt, dass es heute mit großer Wahrscheinlichkeit (sic!) das letzte Mal einen Grenzstaffellauf in dieser Form gibt. Ein kleiner Hauch von Hoffnung weht daher, weil die Entscheidung eigentlich niemandem gefällt.
Also… wer immer sich für den Lauf einsetzen wollte… kann diesen Wunsch ja an die Ortsgemeinde oder das Organisationsteam kundtun.
Im Vorfeld des Startes wird noch verlautbart, dass aufgrund des Sturmes auf der Hohen Veitsch der Lauf diesmal in der Regenvariante gelaufen wird, also ohne Teufelssteig. Im Gegensatz zum letzten Jahr laufen wir aber sehr wohl die Runde, nur kommen wir eben nicht beim Meranhaus rauf, sondern mehr oder weniger auf der Hälfte des Hochplateaus. Naja, mir auch recht, Hauptsache ich bin am Start.
Nach einer kurzen Plauderei mit Roman und Barbara geht’s auch schon los, erst traben wir wieder einmal viel zu flott durch den Ort, bis ich zum frühest möglichen Zeitpunkt zum Wanderer mutiere und bis zur ersten Labe schlicht durchgehe. OK, ich hab das Glück eines recht flotten Geh-Schrittes, so unterhalte ich mich mit meinem Umfeld, die Zeit vergeht recht schnell, bald sind wir schon bei der ersten Labe. Die Herzlichkeit der Veitscher würde mir für den Fall, dass der Lauf wirklich eingestampft wird, sehr fehlen. Immer weiter, Gehen, Laufen.. langsam werden meine Beine auch leichter, ein Zustand, den ich eigentlich seit März nicht mehr gekannt habe. Ich mach mir keinen Stress. Meine Vorgabe war immer, im besten Fall zu starten und zu schauen, ob ich dir cut off Zeiten schaffe. Wenn ja ist gut, wenn nein.. auch gut. Ich war noch nie ein Fan vom „Dabeisein ist alles“.. heute aber schon. Und entsprechend relaxed. Ich freu mich einfach. Ja ich freu mich viele viele Stunden lang heute hier sein zu dürfen.
Eins nervt, also grad bei den Trailläufen in den letzten Jahren etwas, ist aber wohl eine Altersfrage. Die Schwitzerei. Aber was solls, es ist auch eine Frage der Erfahrung, die gegebenen Möglichkeiten auszunutzen. Daher habe ich einfach ein Wechselshirt bei jeder Wechselstelle hinterlegt, gemeinsam mit ein paar Gels und Getränken. Heuer mach ich es einmal anders, ich verlasse mich nicht nur auf den berühmten Veitschkuchen, ich schlabbere regelmäßig diverse Gels die ich mir vorher auf willhaben organisiert hatte. Nun inzwischen geht´s Richtung erster Wechselstelle… Ich ziehe mein Shirt schon vor der Labe aus, damit es nachher schneller geht, just da werde ich vom Organisator fotografiert
😉.. und treffe an der Labe auf Martin. Ich freu mich sehr, ihn zu sehen, er ist ja doch einer von den Fixpunkten im Ultrasport.
In aller Ruhe ziehe ich mich um, nehme meine Gels und mein Iso mit auf die Reise und.. weiter geht’s.
Ich habe gemerkt, dass ich den Erfolg einer Veitscherei daran merke, ob ich trittsicher bin. Diese Trittsicherheit spüre ich erstmalig unmittelbar nach der ersten Wechselstelle. Heuer.. überhaupt kein Thema, ich fühle mich wie im Wohnzimmer, kann locker laufen, ohne jede Unsicherheit. Vielleicht schaff ich es ja wieder, vielleicht geht es sich ja aus. Geil, ich freu mich.
Eine Besonderheit der heutigen Strecke ist die Streckenführung. Wir sehen zwar den Teufelssteig, erklimmen ihn aber nicht, sondern biegen vorher rechts ab. Erst über eine Wiese dann… Hey, das gibt’s ja nicht. Ich habe in den letzten Jahre so oft von einem Streckenabschnitt auf der Veitsch geträumt, den es so gar nicht gibt, von einer Hütte in der Wiese, von der aus es in den Ort geht. OK, es ist noch weit bis zum Ort, aber DAS IST GENAU DIESE WIESE, von der ich so oft geträumt habe. Spannend, ich bin zum ersten Mal hier. Die Strecke führt jedenfalls notgedrungen wieder weiter, erst einmal auf einem sehr steilen Weg runter, dann ein wenig grad… ach, dann wieder rauf und … ok, es ist ein normaler Forstweg. Einfach nur weiter durch die Gegend, auf einer neuen Stecke, auf einer neuen Erfahrung.
Ich liebe ja auch die Veitscher Kühe. So oft bin ich an ihnen vor dem Teufelssteig vorbei, auch heuer wieder, nur eben an anderer Stelle kreuzen sie unseren Weg. Ich weiß ja um meinen Gehstil. Kann sein, dass ich recht flott hatsche, wenn ich es drauf anlege, aber links neben mir brauch ich Platz. Ich nehme meine Arme immer so mit, dass ich im konkreten Fall die Kühe aufscheuchen würde. Nun, ich verschränke meine Arme Morpheus-gleich hinter dem Rücken, um die Muhkuhlis nicht zu irritieren. Bald dann zweigt der Weg nach links ab, wobei links der Hang rauf zur Hohen Veitsch liegt. Ach ja, wir kommen ja doch rauf. Sicher ist sicher und huschi ist es ja auch… ich zieh einmal meine Salomonjacke an, angeblich wird’s ja jetzt windig.
Ja, windig ist richtig aber nicht nur das. Diese Ersatzstrecke für den Teufelssteig steht dem Original ja um nix nach. Ich würde sogar sagen, dass sie noch um einiges härter ist, einerseits kommt mir der Anstieg länger vor, andererseits führt der Weg auch über lockeres Geröll. Der Weg führt wieder durch die Latschen-zone, die Bäume schaffen für einige Meter einen sehr angenehmen Windschutz und so nebenbei.. liebe ich sie noch aus Kindheitstagen sehr. Ich glaube, nein ich weiß… ich strahle übers ganze Gesicht. Darüber hinaus merke ich auch, dass der Werbeschmäh der Invo-8 Graphene Schuhe stimmt. Die Sohle pickt richtiggehend am Fels, ich kann mich drauf verlassen, dass ich nicht wegrutsche. Am letzten Viertel wird der Anstieg dann doch zäh, oder.. wahrscheinlich schwächle ich einfach. Auch gut, ich scheine so in der Zeit zu liegen, dass ich bei der Kleinveitsch locker durchkomme. Irgendwann dann noch ein Stückerl, das sogar mit Seilen gesichert ist. Nett, da geht´s ja noch besser und ein wenig flotter rauf, ich bedanke mich bei den Bergrettern, die an der Strecke stehen.
Guuuuut, jetzt bin ich oben, wir kommen etwas vor dem Wasserreservoir am Hochplateau raus, die Strecke liegt im dichten Nebel verborgen. Kein Stress und vor allem keine Eile. Hier kann ich nur verlieren, wenn ich auch nur einen falschen Schritt mache. Hey Mann, ich bin hier. Ich hab es geschafft, wahrscheinlich rechtzeitig zur 2. Wechselstelle zu kommen, also komm ich auch heuer hier durch. Ich fühle mich dankbar und glücklich……… und bleib stehen… ich muss meine Schuhe fester binden. Aber bitte auch nicht wieder so fest, wie letztes Jahr beim Rundumadum, wo ich mir ja eine Stelle richtiggehend abgeschnürt hatte.
Im Nebel beschlägt meine Brille, ich weiß also nicht, ob die schlechte Sicht auch außerhalb meiner Brille so ist… doch ist sie. Ich kann mir also aussuchen, ob ich mit Brille wenig sehe oder ohne wenig und verschwommen. Mein Brillenputztuch lass ich noch im Rucksack, so groß ist der Unterschied auch nicht. .. Latschenwälder, Steine, Wurzeln, Gatsch… deswegen bin ich heut hier. Und auch wegen der unglaublichen Freude, gleich die Kurve zur Schotterstraße Richtung Kleinveitsch zu sehen. Ein paar Meter noch und ja, da ist sie.. ich komm heute durch, alles wird passen. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigt mir… ich bin scheinbar gut in der Zeit. Noch keine 4 Stunden. Je nachdem wie lange ich laufe, sollte ich sogar um die 7 Stunden brauchen. Ned übel
An der Wechselstelle sammle ich schnell noch ein paar Gels und mein Powerade aus meinem Sack zusammen, trinke einen Schluck und mach mich weiter auf den Weg. Heute .. ist es anders, heute ist es lockerer als sonst. Aber auch frischer. Die Jacke lass ich noch an. Auch weil mein Rücken sonst vielleicht unter dem feuchten Leiberl Probleme machen könnte… ich frier nicht gerne.
Immer wieder überlege ich, wie denn jener Abschnitt heißt, der wenige Kilometer nach der Kleinveitsch über eine Wiese führt, die regelmäßig ( und heute besonders) einem Sumpf gleicht. Hohes Gras, Sumpf. Ich steige in den Gatsch, versinke richtiggehend, aber was soll´s, trocknet eh wieder. Ab hier verschwimmt die Erinnerung ein wenig. Runter, rauf, schräg.. ach ja, schräg.. bei Wegen die parallel zur Forststraße führen, rutsche ich einige Male aus und überknöchle fast. Gelegentlich schmerzen meine Knie, mein Arsc… mein Gluteus wundert sich über die ungewohnte Belastung und versucht sich im Krampfen. Ha, selbst ist der Mann… ich hau mich einfach ein wenig, so lenke ich einerseits von den Schmerzen ab, andererseits bilde ich mir ein, so die Durchblutung zu fördern. Irgendwie wirkt Eigenspanking als ganz gut.
Bei den Labestellen spreche ich kurz an, dass es ja noch Hoffnung auf ein 2024-Wiedersehen gibt, ich würd mich ja freuen.
Etwas runter und ganz viel rauf, so empfinde ich die nächsten Kilometer, da glaubt man ja doch die Strecke zu kennen aber, dann kommt es doch wieder anders.
Gegen Ende, so glaube ich zumindest, freue ich mich, die letzten Meter vor der Mirlbauer-Labe zu erkennen, doch irre ich mich. Macht aber nix, die Vorfreude verlängert sich damit einfach um Kilometer. Immer noch ein Stück, das ich vergessen habe, eins mit „ah, das gibt’s ja auch noch“ – Faktor. Einmal noch steil rauf und dann.. noch steiler nach links, dann schmaler Weg, wieder runter… und irgendwann dann ein steiler Abzweiger nach links. Ja, den Weg kenne ich nun, ich erinnere mich gut, nur noch wenige Meter dann sehe ich schon links die Mirlbauerlabestelle. Party, Trööt und Juhu.
Ich freu mich und winke. Ehrlich gesagt kommen mir sogar auch die Tränen, ich bin wieder da. Auch mein Bier ist bereit, ich genieße, bedanke mich… was in der Emotion gar nicht soo einfach ist und lasse auch jenen Kollegen, der mich seit vielen Kilometern mit geringem Abstand verfolgt vor. Ich hab keinen Stress, ich bin nur happy. Jetzt aber… runter. Erst etwas zaghaft, ich will meine Knie noch schonen, doch dann schrei ich mich an und … komme auf Betriebstemperatur. Die Auswertung zeigt ein tempo zwischen 4:00 und 4:30, ja ich liebe diesen Abschnitt. Und es geht immer noch so gut. Einfach ist es zwar nicht, aber.. ich will es einfach erleben. Zwar überhole ich niemanden, macht aber nix. Dann noch in den Ort, hier trotte ich zwischen 5:00 und 5:30 herum, an der Kirche vorbei… vorne sehe ich die letzte Kurve Richtung Ziel… hinter mir keiner….
Martin steht noch unmittelbar vor dem Zieleinlauf, ich sehe die Uhr über dem Ziel, sie zeigt… BITTE WAS??? Ernsthaft?
6:28?
Ich hätt 7:50 auch mit Handkuss genommen….
„Gleich im Ziel: Ulrich Wanderer, diesmal als Läufer unterwegs“ OK, der Witz ist alt, aber der Tag ist meiner!
https://maps.suunto.com/move/uw420/6496f4d8ee01a37a1643f097