Autor Thema: 2022-11-06 New York City Marathon - cbendl  (Gelesen 5190 mal)

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2022-11-06 New York City Marathon - cbendl
« am: 06.01.2023, 22:29:43 »
Datum: 2022-11-06
Event: New York City Marathon
Distanz: 42,195 km

Ersteller: cbendl

Offline cbendl

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Antw:2022-11-06 New York City Marathon - cbendl
« Antwort #1 am: 06.01.2023, 22:31:25 »
Auch dazu gibt es eine Vorgeschichte – die weit zurückgeht, aber dann doch gar nicht so lang ist.
Seit unserer Teilnahme beim New York City Marathon 2006 wollten Martin und ich irgendwann wieder dort laufen. Die Atmosphäre war einfach großartig, das wollten wir wieder erleben! Außerdem war ich damals richtig schlecht gelaufen und hatte so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, daher wollte ich das besser schaffen.
Diesmal aber mit Qualifikation über das Limit!
2012 scheiterte Martin einigermaßen knapp am Limit, dann kamen Jahre mit Ultrafokus, Jahre, in denen es nicht so toll lief, usw. – und das Ziel New York Qualifikation rückte für einige Zeit wieder in die Ferne. Der Winter 2019 / 20 war aber wieder eine gute Saison und auf einmal eröffnete sich wieder eine Gelegenheit. Inzwischen ein paar Alterklassen älter geworden, aber offenbar nicht so stark abgebaut wie der statistische Durchschnitt, der für die New York Limits als Referenz herangezogen wird, sahen die für Martin erforderlichen 1:28 auf einem Halbmarathon ziemlich machbar aus und ich sollte im Lauf des Jahres hoffentlich auch ein Limit schaffen. Der Vorteil an der New York Qualifikation: Die Limits sind zwar recht streng, aber man kann sie wahlweise über Marathon oder Halbmarathon erbringen.
Martins Lauf der Wahl war Laufen Hilft, das Laufopening Anfang März – ein sympathischer, gut organisierter Lauf. Ideal also, um das Limit früh zu erledigen und sich dann wieder ultralichen Zielen zu widmen. Die Form stimmte, die Bedingungen waren auch in Ordnung, so kam der große Tag. Und es klappte! Halbmarathon souverän in 1:26:18 geschafft – das Limit wäre 1:28:00 gewesen. Mir ging es an dem Tag nicht gut und so musste ich den 5er nach ca. 800 m abbrechen. So konnte aber umso besser zuschauen und anfeuern und übermütig postete ich auf FB ein Foto vom Zieleinlauf mit dem Titel "New York, New York!!"
Tja. Laufen Hilft war wohlgemerkt am 01.03.2020. Was dann kam, wissen wir wohl alle ... 2020 wurde der Marathon abgesagt. Das Limit wäre aber ohnehin für 2021 gewesen, Qualifikationszeitraum war damals und ist aktuell immer das Kalenderjahr vor dem Lauf. 2021 waren Anmeldungen zwar möglich, aber angesichts der Unsicherheiten von Absagen etc. wollten wir uns für dieses Jahr gar nicht anmelden. Außerdem ist New York Marathon mit massiven Sicherheitseinschränkungen auch kein besonderes Vergnügen. Am Ende kam es dann ohnehin so, dass Einreisen in die USA für (die meisten) Ausländer gar nicht möglich waren.
Dann also 2022! Der Qualifikationszeitraum wurde aus naheliegenden Gründen (wenig Rennen in 2021) auf 2020 plus 2021 verlängert – Martins Zeit von Laufen Hilft 2020 galt also noch. Und auch ich hatte mit dem Linz Marathon 2021 eine gute Zeit, die bei weitem reichen sollte – in meiner Altersklasse 3:38:00 vs. 2:56:15, die ich stehen hatte.
Im März 2022 kam also der große Tag: Die Anmeldung öffnete! Nun ist aber der Anmeldemodus so, dass für alle, die das Limit bei einem NYRR-Lauf erbracht haben (im Wesentlichen New York City Marathon oder New York Half sowie einige weniger bekannte Rennen) die Anmeldung über den ganzen Anmeldezeitraum möglich ist. Für alle anderen, mit Zeiten von "fremden" Läufen gilt aber "first come, first served", so lange es Plätze aus dem Kontingent für Qualifiers gibt. Wie groß das Kontingent ist, ist nicht bekannt.
Was dann kam, war klar: In dem Moment, als die Anmeldung öffnete, laaange Wartezeit, um überhaupt ins System zu kommen. Zuerst befindet man sich in einer "virtuellen Schlange", wenn diese absolviert ist, beginnt die eigentliche Anmeldung. Zu dem Zeitpunkt war Martin gerade auf Dienstreise in Sydney und wir blieben in Kontakt um zu sehen, wer wo im Anmeldeprozess stand. Unsere Daten und Dokumente hatten wir sicherheitshalber ausgetauscht, damit für den Fall, dass eine*r von uns Schwierigkeiten hätte, der*die andere die Anmeldung übernehmen könnte.
Ich war nach einer Stunde in der Anmeldung drin. Alle meine Daten bekanntzugeben dauerte dann auch noch vielleicht eine halbe Stunde, aber dann war es geschafft! Die Bestätigung, dass meine Anmeldung eingegangen sei, war da! Martin war inzwischen vielleicht bei 2/3 der Warteschlange, also übernahm ich auch seine Anmeldung. Alle Daten eingegeben, nochmals alles überprüft, und das war dann auch erledigt.
Dann hieß es warten. Sechs Tage später kam von Martin die freudige Nachricht: "Accepted!" In meinem Account stand weiterhin "Pending". Was war da los? Es war noch nicht Ende der Anmeldefrist, aber ein gutes Gefühl hatte ich dabei nicht. Dann änderte sich der Status in meinem Account von "Pending" auf "Pending Drawing ". Warum auf einmal drawing? Ich hatte mich doch gar nicht für die Lotterie, ich hatte doch einen garantierten Startplatz ... Ich schrieb dann mal an die NYRR, mit wenig Optimismus, aber zumindest wollte ich sie zu einer Antwort bringen. Die "Erklärung" war, dass die Plätze für die Qualifier extrem schnell vergeben waren und ich mich "nicht rechtzeitig" angemeldet hätte. Dass das unlogisch wäre, weil Martins Anmeldung später kam und er akzeptiert wurde interessierte sie nicht. Ja, mit den Typen diskutieren bringt eben leider nichts. Bei der Lotterie wurde ich auch nicht gezogen, es wäre ja zu schön gewesen. So war Martin für den Marathon angemeldet, ich aber nicht.
Das 16 Jahre alte Ziel bestand aber weiterhin: Wir wollten beiden den New York Marathon laufen! So tat ich, was ich nie tun wollte und fragte bei Runners Unlimited an. Der Preis für die Reise war naja – schon teurer, als selbst individuell gebucht, aber noch im erträglichen Bereich. Lästig halt, dass es genau nur zwei Hotels zu Wahl gab. Der Preis für den Startplatz war auch mehr als doppelt so viel wie das, was Martin gezahlt hatte aber was soll's, wir wollten das eben machen. Also buchte ich dort.
Es hat auch letztendlich alles gut mit ihnen geklappt aber diese "Betreuung" durch ein Reisebüro gestaltete sich viel mühsamer als alles selbst zu machen. Als Martin seine Flüge buchen wollte, konnte man mir noch nicht sagen, von welchem Flughafen wir denn nach Wien zurückfliegen würden (unsere Hinflüge waren getrennt). Immerhin gab es eine Vermutung "Ja, es sieht so aus, als würde der Flug eher von JFK gehen – aber genau erfahren wir das erst einen Monat bis zwei Wochen vor der Abreise ..." OIDA! Ich bin wohl nicht der Typ für solche Gruppentrips.
Dann kam die Ankündigung, dass es für die Reisegruppe eine WhatsApp Gruppe geben würde. mir schwante Übles ... Zum Glück war es eine Gruppe, in der nur Admins posten durften, also gab es maximal fünf Infonachrichten am Tag. ;D Zwei Wochen vor der Abreise wurden dann wirklich die Tickets ausgestellt und ja, wir flogen tatsächlich von JFK. Martin und ich würden nicht eine halbe Stunde zeitversetzt in zwei verschiedenen Maschinen von New York nach Wien sitzen. ;D
Weil wir ja schon älter sind, wollten wir auch ein bisschen mehr Komfort und so war der Plan, dass ich meinen Rückflug auf Premium Economy upgrade. Also in die Buchung eingeloggt und: Überraschung!! ;D Ja, ich konnte ein Upgrade machen. Für die ganze Gruppe. Sie hätten mich sicher hochleben lassen. ;D Also erstmal, da es schon spät abends und im Reisebüro niemand mehr erreichbar wäre Anruf beim Austrian-Servicecenter, aber nein, ein individuelles Upgrade war leider nicht möglich, weil Gruppenbuchung. Also wieder mal eine E-Mail an das Reisebüro, ob es denn irgendwie möglich wäre, dass ich nur meinen Flug upgrade. Ja, es war möglich, mein Flug wurde aus der Gruppenbuchung rausgelöst und ich bekam einen neuen, eigenen Buchungscode gaaaanz für mich allein. :) Mit einem Wort: Alle meine Wünsche, Anliegen und Probleme wurden gelöst – Probleme, die ich ohne das Reisebüro gar nicht gehabt hätte. ;)
Dass ich beim Check-in mir einen Wunschplatz aussuchte, am Flughafen aber entdecken musste, dass ich ganz woanders hin platziert wurde (Erklärung am Gate "Gruppenreise!!!") passte zu meinem Erlebnis. Mit etwas diskutieren bekam ich immerhin einen "Kompromissplatz", nicht ganz nach Wunsch aber nicht ganz so schlecht wie der eigentlich zugeteilte, ärgerlich war es trotzdem. Alles keine Dramen aber eben: Ich hätte mir das gerne gespart.
Nach diesem Suder-Exkurs aber zurück zum Sportlichen:
Nach dem Berlin Marathon war ich erstmal eine Woche nur müde. Der erste Lauf nach einer Woche war dann aber schon ganz in Ordnung und bald kam ich wieder gut in Schwung und zehn Tage nach dem Marathon war ich gefühlsmäßig schon wieder "voll im Saft". Die schnellen Sachen gingen gut und auf U4U4 lief ich neue Rekorde. Allerdings war es arbeitsmäßig gerade äußerst stressig. Vier Wochen nach dem Berlin Marathon war in Linz die Halbmarathon Staatsmeisterschaft dran. Die Tage davor war ich richtig geschlaucht, bis zu Start besserte es sich einigermaßen, aber ich war dennoch nicht gut drauf. nach der Hälfte ging mir völlig die Kraft aus. Ich war eben auch so angelaufen, wie ich mich noch eine Woche davor gefühlt hatte, was aber eben leider nicht mehr zu meiner aktuellen Verfassung passte. Die zweite Hälfte war SEHR beschwerlich, aber einen halben Halbmarathon kann frau ja immer noch durchbeißen.
Nach Linz war ich dann mal so richtig erschöpft. Arbeit und der Halbmarathon zusammen waren zu diesem Zeitpunkt leider eine echt ungünstige Mischung. Am Dienstag nach dem Halbmarathon ging ich eine Stunde ganz bewusst langsam laufen – so langsam war ich schon ewig nicht unterwegs gewesen! Das tat gut, vor allem auch dem Kopf.
Dann kam aber doch wieder ein bisschen Drama ins Spiel, ganz ohne geht es ja nicht. ;)
Am Donnerstag Abend war Krafttraining dran. Ich fühlte mich schon wieder fit und gab ein bisschen mehr Gas als üblich, aber ohne zu übertreiben. Freitag Vormittag kamen auf einmal Rückenschmerzen. Richtig seltsame Rückenschmerzen, die ich nicht zuordnen konnte. Rechts der Wirbelsäule auf Höhe obere Lendenwirbelsäule / untere Brustwirbelsäule und dann weiter seitlich. Also definitiv nicht an der Wirbelsäule selbst. Und so stark, dass tief Luft holen eine Qual war. Ich konnte keine Ursache finden. Ich hatte nichts Schweres gehoben, hatte nicht verdreht geschlafen (weil nach dem Aufwachen war es noch nicht da), auch das Krafttraining passte nicht als Auslöser. Warum das Ganze nur einseitig? Und warum so heftig? An diversen Salben herrschte zu Hause kein Mangel, so probierte ich es mit wärmender Traumasalbe und auch mit Ausrollen. Das half ein wenig, aber am Abend wurde es wieder stärker. Ich fühlte mich auch schwach und kränklich, hatte etwas höhere Temperatur als normal, also wollte ich früh schlafen gehen. Mir kam auch der Gedanke, dass es ein Problem mit Nieren, Harnleitern oder anderen Organen in der Gegend sein könnte, ein Harntest blieb aber negativ. Nur war ich nicht sicher, ob diese Teststreifen überhaupt noch funktionsfähig wären. Duschen und Umziehen waren eine Qual, aber ich schaffte es ins Bett. Zwei Stunden später wachte ich aber durch starke Schmerzen wieder auf und dann machte sich Verzweiflung breit. Was ist das? Warum bekomme ich es nicht weg? Ist es womöglich etwas Gefährliches? Als der Versuch wieder einzuschlafen scheiterte, entschloss ich mich um 23:45 zum Anruf beim Notarzt. Das Handy hatte ich beim Schlafengehen vorsorglich voll geladen neben das Bett platziert. Beim ersten Anrufversuch landete ich trotz richtiger Nummer bei der Polizei. Jetzt kamen mir schon vor Schmerzen Tränen. Nochmal die Telefonnummer überprüfen und einen zweiten Anrufversuch zu starten war mir im Moment zu anstrengend. Beim zweiten Versuch klappte es aber. Ich schilderte meine Symptome. Es kam der Verdacht auf Nierenkolik, der dann aber auch eher wieder verworfen wurde. Ein Notarzt-Team würde zu mir kommen (das würde aber dauern), ich solle in der Zwischenzeit Voltaren nehmen und ein warmes Kirschkernkissen auf die schmerzende Stelle legen. Sollte es besser werden, kann ich nochmal anrufen und das Notarzt-Team abbestellen. In der Zwischenzeit sah ich mir im Bett in der TVthek die Übertragung des Linz Marathon an und wartete Besserung ab. Es wurde ein wenig besser aber noch nicht deutlich. Als ich zwar immer noch Schmerzen aber zumindest das Gefühl hatte, wieder schlafen zu können, rief ich nochmal die Notrufnummer an um abzuschätzen, wie lange es denn noch dauern könnte. Als es um 01:45 immer noch hieß, dass es noch dauern würde, versuchte ich es wieder mit Schlafen. Eine dreiviertel Stunde später wurde ich durch den Anruf vom Notarzt-Team geweckt. Fieber hatte ich nicht, Sauerstoffsättigung war bestens, auf meine Fragen nach der Art der Schmerzen wurde ein Nierenproblem eher ausgeschlossen und doch eine muskuläre Ursache vermutet. Ich bekam Schmerzmittel und für den nächsten Tag noch weitere und ein Rezept für Muskelrelaxans. Zumindest die ärgsten Schmerzen waren fort und ich konnte schlafen, das war mir kurz vor 03:00 auch am wichtigsten. Am nächsten Morgen ging es mir gut, ich hatte nur mehr leichte Schmerzen und mein Abenteuer von der Nacht konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen. Am Abend dachte ich auch, ich könnte es wieder mit einem kurzen Lauf probieren, aber da war schon nach 100 Metern Schluss. Wieder starke, stechende Rückenschmerzen und ein massives Schwächegefühl. So kann das nicht weitergehen, dachte ich, am Sonntag in der Früh gehe ich zur Ärztefunkdienst-Ordination. Spital wäre vermutlich auch nicht falsch gewesen, ich schätzte meinen Situation aber nicht ganz so wild ein und hatte Scheu davor, vermutlich die halbe Nacht wartend in eine Spital zu verbringen, ein offensichtlicher Notfall war ich ja nicht.
Sonntag früh machte ich mich also auf den Weg, die nächste Untersuchung. Kein Fieber, Lunge abhören in Ordnung, Sauerstoffsättigung bestens, Harn alles gut. Ich wollte sichergehen, nichts zu riskieren und sagte dem Arzt, dass ich in einer Woche einen Marathon geplant hätte, ob etwas dagegen sprechen würde. Er dachte nach und meinte, er würde nichts entdecken, was dagegen spricht, ich müsste eben schmerzfrei sein. Mit Schmerzen soll ich nicht laufen. Das war klar, und mit den Schmerzen, die ich hatte, wäre ein Marathon nicht vorstellbar gewesen. Dann überlegt er nochmal und meinte, er könne mir auch Blut abnehmen, um hier auch Gewissheit zu bekommen. Ja, klar, sicher ist sicher. Während ich auf die Ergebnisse wartete, war ich mir schon ziemlich sicher, dass da eigentlich "nichts" wäre, nur irgendeine Kleinigkeit, die irgendwoher gekommen war und genauso schnell wieder verschwinden würde. Als der Arzt aber mich holen kam, machte er ein ziemlich ernstes Gesicht. "Also Ihr Blutbefund ist nicht ohne ..." Deutliche Entzündungswerte. Irgendeine bakterielle Infektion offenbar an der Lunge. Ich bekam ein Breitbandantibiotikum (und auch Probiotika, um die unangenehmen Nebenwirkungen des Antibiotikums abzumildern) und den Hinweis, sollte es nach einem Tag nicht besser werden, bräuchte ich ein Herz-Lungen-Röntgen und solle ins Spital. Uff. Und Marathon – es könnte klappen, aber es wird knapp.
Erstmal war ich froh, dass ich mich ordentlich hatte durchchecken lassen! Die Sache verschleppen und eine Lungenentzündung zu bekommen wäre womöglich böse gewesen. Alles weitere würde sich noch entwickeln. Nach der Einnahme der ersten Tablette kam schon richtig große Freude auf: Es schien zu wirken, die Schmerzen begannen jetzt endlich WIRKLICH nachzulassen. Am Montag waren sie zwar noch nicht ganz vorbei, aber die Besserung war deutlich, das Mittel war das richtige und wirkte.
Am Mittwoch hatte ich einen ohnehin geplanten Termin bei meiner Ärztin. Ihr war die Kombination meiner Symptome und die Behandlung mit Antibiotika etwas suspekt, da meine Symptome tatsächlich eher auf Nierensand als auf eine bakterielle Infektion hingewiesen hatten. Am ehesten hatte ich zugleich beides. Der Nierensand war abgegangen und die Bakterien wurden eliminiert, bevor eine Lungenentzündung ausbrechen konnte. Sicherheitshalber schickte sie mich noch zum Unterbauchultraschall, das ich aber mit Bravour absolvierte. Der Arzt war von der Schönheit meiner Nieren, Harnblase, etc. geradezu begeistert. ;D
Somit hatte ich also zumindest grünes Licht für die Reise zum New York Marathon, die am folgenden Tag, Donnerstag (mit einer dick gefüllten Medikamententasche) losgehen würde.
Nach dem schon beschriebenen, etwas ärgerlichen, Flug kam ich also in New York an, wo ich Martin traf. Ab jetzt lief der Countdown. Die ganze Woche hatte ich keinen Sport gemacht, ich nahm ja noch Antibiotika ein. Leider hatten diese auch trotz Probiotikum die üblichen Nebenwirkungen, nämlich Durchfall, der mich einiges an Kraft kostete. Leider war das alternativlos, Antibiotika absetzen war keine Option. Am Freitag wollte ich den ersten kurzen Lauf seit einer Woche machen, gemeinsam mit Martin gemütlich durch den Central Park. Die Beine fühlten sich sehr locker an, der Puls war niedrig, in dem für das gemütliche Tempo ganz normalen Bereich. Aber plötzlich wurde mir extrem heiß und ich fühlte mich angestrengt und unwohl. Ich wurde nervös, stoppte und wollte zurück zum Hotel gehen. Beim Gehen wurde es aber sehr schnell besser und so versuchte ich es doch, jetzt mit sehr sehr langsamem Tempo. Das war dann kein Problem und ich dehnte die Runde ein wenig aus, weiterhin langsam. Zurück im Hotel spürte ich keine Probleme mehr und der restliche Tag verlief auch in Ordnung. Zu Mittag gingen wir die Startnummern abholen. Die Messe war sehr gut organisiert. Der riesige Stand von New Balance, offiziellem Partner des New York Marathon, war mit Kaufwütigen übervoll, aber die Wartezeit an Umkleide und Kassa nahmen wir in Kauf, das Angebot war wirklich toll, die Sachen waren ausgesprochen attraktiv. Zusätzlich zum hellblauen Langarmshirt für alle Teilnehmer*innen kaufte ich mir eine lange Hose und Handschuhe im Design New Yorker Bauwerke und ein weiteres Langarmhirt, Martin die gleiche Handschuhe wie ich und Ärmlinge im gleichen Design. Auch die anderen Anbieter hatten interessantes Angebot. Schnäppchen waren kaum bis keine dabei, dafür high end sportswear in stylishem New York Design, also Souvenir und Laufausrüstung in einem. Außerdem stieß auf einen Stand von "Team Milk", der mich neugierig machte. Ich musste dort nur meine Seele verkaufen, dann würden sie für irgendwelche wohltätigen Projekte spenden. Nein, ganz so schlimm war es nicht.  ;D Für jede Unterschrift wurde der Gegenwert der Startgebühr gespendet, außerdem gab es dafür ein Langarmshirt (super! kam gleich in den Finisherbag!) und eine Einladung zu einer Recovery Lounge in der nähe des Ziels. Ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte.  ;)
« Letzte Änderung: 06.01.2023, 22:44:28 von cbendl »
hippocampus abdominalis

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« Antwort #2 am: 06.01.2023, 22:31:51 »
Da ich mich den ganzen Freitag, bis auf den Morgenlauf gut gefühlt hatte, wollte ich es am Samstag noch einmal versuchen. Inzwischen war mir ein Verdacht gekommen, was am Freitag das Problem gewesen sein könnte: Die Temperatur! Ich war mit kurzer Hose und Langarmshirt unterwes gewesen. Dünn, aber eben doch Langarm. Das wollte ich am Samstag wieder nehmen, doch als mir Martin die Temperatur sagte, wechselte ich schnell auf Kurzarm. Das war die Lösung! Mir war am Freitag einfach zu heiß gewesen. Am Samstag ging es dann ausgesprochen gut dahin und ich fühlte mich fit für den Marathon. Juhu! Die Zweifel waren dahin, alles lief nach Plan, endlich!
Am Samstag ging es nochmal in den Central Park um den Sack mit Kleidung für den Zielbereich abzugehen. Vom Start gab es keinen Kleidertransport mehr ins Ziel.
Am Sonntag hieß es früh aufstehen Martins Bus fuhr um 05:30 von der Public Library ab, mein Bus um 06:00 direkt vom Hotel. Ein bisschen neidisch war Martin, dass ich länger im Bett bleiben konnte. Das sollte sich aber als Irrtum erweisen ...
Pünktlich (!) um 06:00 Abfahrt, hatte es geheißen. Ich war schon früher fertig, also ging ich schon vor der Zeit hinunter auf die Straße und hatte vor, mich gleich in den Bus zu setzen und noch ein bisschen zu dösen Tja. Die Gruppe schien vollzählig pünktlich da zu sein, nur Bus war keiner da. Um 06:10 war ich schon sehr unentspannt. Mein Plan war gewesen, erst im Startbereich auf Staten Island zu frühstücken, vor 06:00 war es mir für Start um 09:10 einfach zu früh. Genauso hatte ich es auch schon beim Boston Marathon 2019 gemacht und das hatte auch bestens funktioniert. Nur leider: kein Bus. Unsere Begleiterinnen vom Reisebüro schauten zwar herum, aber wirklich viel Aktion konnte ich nicht erkennen, was mich nochmal grantiger machte. Dazu ein weiterer Faktor, der die Sache ungemütlich machte: Alle Straßenfahrzeuge mussten über die Verrazano-Narrows-Bridge zum Start auf Staten Island. Dieselbe Brücke, über die wir dann wieder laufend auf dem Weg zurück Richtung Brooklyn nehmen würden, weshalb die Brücke auch um 07:00 schließen würde. Also sollten wir es nach Möglichkeit rechtzeitig bis 07:00 oder zumindest bis kurz nach 07:00, ein bisschen Toleranzzeit würde hoffentlich drin sein, schaffen. Was, wenn der Bus gar nicht käme Eingegangen und kein Ersatz rechtzeitig aufzutreiben? Ich war schon wirklich sehr sauer. Auf einmal am eine unserer Begleiterinnen dahergelaufen: Der Bus war da. Also nicht da, aber zumindest irgendwo in der Nähe. Ob er zu spät gekommen war oder die ganze Zeit da stand, nur eben vor dem falschen, dem "anderen", Hotel weiß ich nicht. Jedenfalls waren wir endlich um 06:35 im Bus, es ging Vollgas los, soweit das ein Reisebus eben schafft und kurz nach 07:00 waren wir auf der Verrazano-Narrows-Bridge. Die Brücke war noch nicht geschlossen, das hatten wir also zumindest geschafft. Mehr als einen halben Keks hatte ich aber immer noch nicht gefrühstückt und jetzt standen wir im Stau. Bis wir endlich am Parkplatz bei Fort Wadsworth standen, war es kurz vor 08:00. Schnell raus aus dem Bus, "Ciao, alles Gute!" zur Gruppe und los Richtung Startgelände. Die Schlange vor der Sicherheitskontrolle war zum Glück kurz und dann konnte ich endlich los ein WC (das war nach der langen Warterei auch schon dringend) und etwas zu essen suchen. Ca. eine Stunde bis zum Start.
Das Startgelände war riesig und es gab alles. Tee, Kaffee, Isogetränke, Bagels ... Mützen, Therapiehunde, ... und was weiß ich was. Für die Teilnehmer*innen in der letzten Welle war Start auch erst um 11:30 – die Zeit muss man erstmal rumbringen. Bei Kälte bestimmt ziemlich unangenehm, da wäre es überlegenswert, ob man nicht mit einer Fähre erst später anreist. Ich hatte dieses Problem nicht, im Gegenteil. Aber jetzt mal mit der Ruhe und den Bagel guuuut kauen weil sonst wird der Bagel im Bauch zum Pflasterstein.
Um während der Wartezeit im Warmen und Trockenen zu sitzen, hatte ich auch einige Zeitungen mitgenommen. Aber nicht nur, dass ich kaum zum Sitzen kam, war es auch als andere als kalt. Tiefsttemperaturen in der Nacht 19°C – das versprach ein "heißer" Marathon zu werden, im wahrsten Sinne des Wortes. Aus diesem Grund wurde auch ein Warnsystem eingerichtet: Grüne Flagge: Alles in Ordnung; Gelbe Flagge: Es ist heiß, Vorsicht, kühlen, langsamer laufen, ...; bis Schwarze Flagge: Rennabbruch. Warme Kleidung war also auch schon in der Früh kaum nötig. Ich hatte nur ein Kurzarmshirt und eine alte Pyjamahose an. Und einen Plastikponcho, über den ich vor allem im amerikanisch klimatisierten Bus sehr froh war. Nach meinen zwei Bagels und Orientierung, wohin ich denn eigentlich musste, war es schon Zeit zum Aufwärmen. Viel Platz war dazu nicht, aber es war ausreichend. Um 08:45 mussten wir schon in die Corrals, von denen es dann gemeinsam in Formation zum Start ging. Der Start verläuft auf der zweigeschoßigen Brücke in drei Spuren: Oben links orange, oben rechts (hier war ich) blau und unten links grün. Mein Startblock war Blau 1 B, also blaue Strecke, Welle 1, Block B. Vor uns Sub-Elite und Block A. Ich wusste von langsameren, die in Block A waren, was aber kein Problem war, da A und B sich ohnehin schon auf dem Weg zum Start vermischten. Was die Temperatur anbelangte, so hatte ich mich mit dem Gedanken beruhigt, dass ich bisher Hitze immer gut vertragen hatte. Die Erkenntnis ja, aber bisher bin ich noch keinen Marathon bei Hitze gelaufen! kam reichlich spät, nämlich gerade auf dem Weg zum Start. Ändern ließ sich natürlich nichts mehr. Vor dem Start gab es die Hymne, wieder mal etwas eigenwillig interpretiert, ich würde es Katzenmusik nennen, und bald ging es los – wie könnte es anders sein – zu Frank Sinatras "New York, New York". Komisch, dachte ich mir. Das passt überhaupt nicht zu einem Tag wie heute. Das ist Herbst, Nebel, kalt, oder überhaupt Winter - aber nicht 20°C und Sonnenschein. Bald war ich aber ohnehin außer Hörweite und hatte andere Gedanken.
Die Verrazano-Narrows-Bridge ist zwei Meilen lang und stellt sich ordentlich steil auf. Nicht zu schnell anlaufen, lautete das Motto, Konzentration auf eine vernünftige Pace. Diese Frage stellte sicher aber gar nicht. Als ich mich dem Startbogen näherte hatte ich nämlich einen Schreckmoment: Da ist der Startbogen, ich sehe auch die Matte – aber das Feld vor mir bewegt sich einfach immer noch so gut wie nicht?!? Was soll das? Tatsächlich, es ging wirklich SEHR langsam los. Ich wollte ja gemäßigt anlaufen, klar, aber so hatte ich mir das auch nicht vorgestellt. Da waren wirklich SEHR langsame Leute vor mir. Als ich nach ein paar hundert Metern auf die Uhr schaute um diese mir Pace 5:55 anzeigte merkte ich, dass ich da jetzt schleunigst etwas ändern müsste und versuchte, Gas zu geben. Irgendwie zwischen den Leuten durch, ohne zu viel Zick-Zack zu laufen und ohne allzu arg zu rempeln. Nicht ganz einfach, denn es waren nicht einzelne, die da in ca. 7 min/km liefen, sondern sie waren in Gruppen und Ketten unterwegs. Nach einer Meile, auf dem Scheitel der Brücke, hatte ich es geschafft, mich freizulaufen, ab da ging das "normale" Laufen an. Korrekte Startblockenteilung oder -überwachung gehörten nicht zu dem Stärken des New York Marathon, zumindest nicht 2022.
Auf der welligen Strecke hatte ich auch immer wieder ein Auge auf die Power um bergauf nicht zu intensiv anzudrücken, was bestimmt geholfen hat. Trotzdem wurde es ein Lauf, der bei weitem nicht perfekt war.
Nach dem 2:51:58 von Berlin und dem Gefühl, danach noch stärker zu werden, war meine Schätzung eine 2:55er-Zeit in New York. Bei guter Tagesverfassung und guten Bedingungen wäre es wahrscheinlich möglich gewesen. Dass ich die Woche davor krank gewesen war und dadurch etwas Substanz verloren hatte bedeutete aber leider, dass die Tagesverfassung nicht perfekt war und verschärfend lief ich noch dazu auf unter 2:55 an, unter 6:40 pro Meile.
Es war auch tatsächlich sehr warm. Zum Glück gab es fast jede Meile, bis auf drei Meilen am Anfang, Getränke. Ich bekam auch immer genug ab, zumindest trinken und Kühlen war also kein Problem. Auch die Stimmung war gut. Besonders in Brooklyn waren mir die Fans am Streckenrand sympathisch. Originelle Schilder wie "You run better than the R train" (und andere "Lieblings"-Pendlerzüge) oder "Run to the polls" (am Dienstag waren die mid terms) fielen mir auf. In der Lafayette Avenue sollten meine Cousine mit ihrem Sohn stehen und anfeuern – dort war sooo viel los, auch eine Band hat gespielt, ich habe gar nichts mitbekommen! Sie haben mich aber entdeckt und gefilmt, sie waren also wirklich dort.
Ruhig wurde es dann in Willamsburg, bei der jüdischen Gemeinde. Ich bemerkte das erst, als ich auf einmal das klapp-klapp-klapp der Carbonschuhe um mich herum hörte. Davor war das im Schreien, Tröten und Pfeifen untergegangen. Bis zur Hälfte, bzw. kurz davor ging es gut. Die Halbmarathonmarke war auf der Pulaski Bridge, der Übergang von Brooklyn nach Queens. Obwohl wesentlich kleiner als die Verrazano-Narrows-Bridge stellte sich auch diese Brück recht steil auf und der Anblick der Läufer*innen vor mir erinnere mich an eine Ameisenstraße, die sich den Anstieg hinaufmüht. Auch ich plagte mich hinauf und in 1:27:26 hatte ich die Hälfte erreicht. Zwar im Plan für eine 2:55er-zeit, sogar knapp darunter, aber das war ja eigentlich das Problem: Ich war zu schnell. Es wurde warm und mir wurde schwindlig. Kein Wunder, die Gelbe Flagge kam während es Rennens tatsächlich heraus. Beim Einbiegen auf den Vernon Blvd. bei ca. Meile 13,5 sah ich vor mir schon die Queensboro Bridge. Für die architektonische Schönheit hatte ich in diesem Moment kein Age sondern dachte mir nur: "Oh Sch... da muss ich rauf?!?" Da mir immer wieder leicht schwummrig wurde, versuchte ich es mit einem zweiten Gel schon früher, vielleicht würde es helfen. Es ging irgendwie weiter und immerhin war ich ja auch schon bei Meile 13. Meile 14 in 6:51,1 war in Ordnung, das als Gesamtschnitt würde knapp unter 3 Stunden ergeben und das war auch mein Hauptziel. Mir war zwar klar, dass es hart werden würde, aber ich war zuversichtlich, dass ich eine gute Zeit ereichen würde. Zwar keine 2:55, aber trotzdem gut. Dann ging es auf die Queensboro Bridge. Meile 15 in 7:13,8, schon teilweise die Brücke hinauf, war zermürbend. Der Anstieg hinauf schien kein Ende zu nehmen und unter mir sah ich immer noch Land. War das immer noch erst der Brückenkopf? Hatte ich noch immer nicht einmal den East River erreicht? Ein Blick auf die Karte nach dem Lauf zeigte nein, das Land, das ich unter mir sah war nicht immer noch Queens sondern bereits Roosevelt Island. Aber egal, einen Schritt nach de Anderen, irgendwann würde ich schon oben sein. Und dann war auch tatsächlich bald der Scheitelpunkt der Brücke erreicht und ich kam in Schwung. Meile 16 war gerade beim Schnörkel von der Queensboro Bridge hinunter auf die 1st Avenue erreicht. 6:57 – ich war wieder unter 7 Minuten und die tobenden Massen von Manhattan nahmen mich in Empfang. Ab da kam Freude auf. Nur mehr 13,2 Meilen, drei Brücken bereits geschafft und jetzt wartete ein einfacheres Stück auf mich. Keine besonderen Steigungen, tendenziell leicht bergab und die Wetterprognose hatte auch Südwind angesagt. So wurde die 1st Avenue zum Genuss. Kurz später sah ich auch den Fantreffpunkt unserer Gruppe, ich hätte nicht erwartet, sie zu entdecken. Es wurde lauter und lauter, sehr viele Menschen waren an der Strecke, aber zu diesem Zeitpunkt empfand ich da nicht mehr als angenehm sondern als Lärm. Die nette, geradezu familiäre Atmosphäre in Brooklyn war vorbei, hier war es mehr Geschrei. Außer ich konnte Blickkontakt mit einzelnen aufnahmen, dann feuerten mich diese wieder persönlich und direkt an. Mit dem Gedränge und selbst damit beschäftigt, Gels und viel Wasser zum Trinken und zum Kühlen zu bekommen, übersah ich Meile 18, 19 und 20 aber 6:49,7 für Meile 17 und im Schnitt 6:52,17 für die drei folgenden Meilen war in Ordnung, zumal hier schon wieder eine Brücke zu überqueren war. Nach fast vier Meilen die 1st Avenue geradeaus ging es über die Willis Avenue Bridge in die Bronx. "Nur mehr eine Brücke" und "Jetzt ist's nicht mehr weit!" dachte ich mir. In der Bronx waren die Fan-Reihen wieder etwas dünner. Ich konnte wieder einzelne Menschen unterscheiden, es war nicht gar so gedrängt wie an der 1st Avenue, ich empfand es wieder angenehmer, weil ich das Anfeuern besser mitbekam. Nach einer Meile ging es aber schon wieder zurück nach Manhattan. Das Schild "Last damn bridge!" einer Gruppe auf der Madison Ave Bridge war wirklich zutreffend. Einmal noch eine Brücke hinauf, Meile 21 brauchte 7:02,6. Aber wieder nahm ich es gelassen. Ich wusste, das Ergebnis wird gut. Wenn auch kein Traumergebnis so aber doch gut und es war nicht mehr weit.
Dann ging der Spaß aber so richtig los. 5th Avenue, kurz um den Marcus Garvey Park herum und die 5th Avenue weiter. An zwei Dinge erinnerte ich mich: An den Bericht von Peter, der geschrieben hatte, dass die 5th ein langgezogener Anstieg wäre. Und an den Wetterbericht, der Südwind vorhergesagt hatte. Rückenwind auf der 1st Avenue bedeutet, eh klar, Gegenwind auf der 5th Avenue. Die drei Meilen die 5th Avenue entlang machten gar keinen Spaß. Meile 22 in 7:05, Meile 23 in 7:01,2 und Meile 24 (zum Schluss schon in den Central Park hinein, gleich mit einer ordentlichen Steigung) in 7:20,1. Ich wartete schon sehnlichst auf den Anblick, wo das Feld vor mir nach rechts in de Central Park hinein abbiegen würde. Von dort war es nicht mehr weit! Natürlich, meine Zeiten mit knapp über 7 Minuten pro Meile (= 4:21/km) waren zwar etwas zäh, aber auch kein Grund zur Beunruhigung. Die 2:55 waren natürlich schon klar außer Reichweite, aber die Sub-3 ziemlich ungefährdet. Bei jedem Split rechnete ich, wie langsam ich den Rest laufen könnte, um immer noch unter den 3 Stunden zu bleiben. Mit Meilen-Splits aber Kilometer-Denken war das Rechnen nicht ganz einfach, aber ab dem Moment, in den ich wusste, die Durchschnittspace für den Rest könnte auf 4:30 gehen, später dass auch 4:40, 4:50 ... möglich wären, um immer noch unter 3 Stunden zu bleiben fühlte ich mich ganz gut.
Die Hügel im Central Park sind berüchtigt. Bestimmt zu recht, es geht wirklich ziemlich steil hinauf, aber subjektiv fand ich die kurzen Anstiege weniger unangenehm als die längeren Anstiege auf die großen Bücken. Ich ging es da schon eher wie einen Berglauf an: Kurze Schritte hinauf, nicht die Kraft (viel hatte ich ja nicht mehr) verpulvern und wenn ich oben war, wieder Gas geben. Dort sollten auch irgendwo Resi, Elisabeth, Kurt & Co stehen. Ich habe NIEMANDEN gesehen Aber sie mich und es gibt Bilddokumente, wie ich mich dort schon plage. Meile 25 war dann in 6:58,4 geschafft, jetzt fühlte ich mich schon recht sicher. Kurz raus aus dem Central Park auf W 59th Street, am Südosteck des Central Park, verlor ich kurz die Orientierung. War ich schon am Columbus Circle? Das ist ja gar nicht mehr weit! Nein, noch nicht. Erst noch W 59th Street am Central Park entlang, dann Columbus Circle und dann wieder in den Central Park hinein. Beim Schild "800 m to go" versuchte ich wieder zu rechnen, ganz einfach war das aber nicht mehr. 2:59 müssen sich ausgehen, dachte ich, aber es wird knapp! Nochmal Gas geben, Columbus Circle war schon da, irgendwie ein Kraftpunkt für mich. Dann ging es in den Central Park hinein, die letzten 500 Meter hatte ich mir an den Vortagen gut angesehen und eingeprägt. Hier kannte ich alle Hügel und Wellen, denn auch dort ging es noch kupiert weiter. Einmal noch rauf, einmal runter, noch einmal rauf und die letzten 20 Meter vor dem Ziel leicht bergab. Meile 26 in 6:57,4, aber dann plötzlich der unangenehme Moment: Wie viel sind 0,2 Meilen in Meter? Oh Mist! Keine Ahnung! Das habe ich nicht bedacht!
Egal, das war der Moment für den Endspurt, jetzt wusste ich zumindest genau, was mich auf der Strecke erwartete. Dass meine Rechnung von vorhin falsch war, realisierte ich auch. Nicht 2:59 waren drin, sondern 2:58! Jetzt aber Zähne zusammenbeißen und kämpfen. Dass das geht, wusste ich von Berlin, so ähnlich wollte ich es wieder machen. Zwar war das Ziel nicht von weitem so gut sichtbar, es gab noch Kurven, bis ich es wirklich sah, aber es konnte nicht mehr weit sein, also alles geben! Ich stolperte über die Ziellinie. meine Uhr zeigte 2:58:56. Die 2:58er Zeit war sch noch ausgegangen! Ich habe den New York Marathon geschafft! Es stimmt ja irgendwie "If i can make it there, I'll make it anywhere" Aber es war wirklich anstrengend. Ich war zufrieden, aber erschöpft. Zufrieden, weil ich zwar nicht mein Idealziel von 2.55 erreicht hatte, aber mit Erkrankung eine Woche davor und Unsicherheit, überhaupt reisen zu können, war das trotzdem ein richtiges Happy End für mich.
 
Die offizielle zeit war 2:58:52 – 6:50 pro Meile, also gerade im Bereich dessen, was ich geplant hatte (bzw. 4:14 / km). Für eine Strecke mit ca. 300 Höhenmetern und ein Hitzerennen, bei dem es auf bis zu 25°C raufging, sehr ordentlich.
 
Nach einer 1. Hälfte von 1:27:26 hatte ich also mit 1:31:26 genau vier Minuten verloren, aber das war mir ehrlich egal. Die zweites Strecke ist schwerer, es war heiß, ich musste kämpfen, aber ich habe es geschafft. Nicht jedes Rennen kann wie aus dem Lehrbuch klappen.
 
Die offizielle Statistik:
Official Time 2:58:52
Pace per Mile 06:50
Place Overall 618 of 47,745
Place Gender 48 of 21,160
(45-49) Place Age‑Group 1 of 2,796
(AUT) Place Country 2 of 126
Place Age-Graded 37 of 21,160
Time Age-Graded 2:46:22
 
Der 48 Rang unter allen Frauen und der Sieg in der Altersklasse haben mir wirklich große Freude bereitet und auch wenn ich mir im Ziel dachte "Nie wieder New York! Ich melde mich gleich wieder für Berlin an!" war ich mit dem Rennen glücklich.
« Letzte Änderung: 06.01.2023, 22:42:50 von cbendl »
hippocampus abdominalis

Offline Diana11

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Antw:2022-11-06 New York City Marathon - cbendl
« Antwort #3 am: 10.01.2023, 17:24:55 »
Deinen Kampfgeist und deine mentale Stärke bewundere ich stets auf neue - höchsten Respekt!  :welle1:
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für den ausführlichen Bericht genommen hast!!
WETTKAMPFSCHWAMMERL
Shit happens! Mal bist du Taube, mal bist du Denkmal. (Dr. Eckhart von Hirschhausen)

Offline cbendl

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Antw:2022-11-06 New York City Marathon - cbendl
« Antwort #4 am: 11.01.2023, 22:22:29 »
Deinen Kampfgeist und deine mentale Stärke bewundere ich stets auf neue - höchsten Respekt!  :welle1:
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für den ausführlichen Bericht genommen hast!!


 :-* :-*
hippocampus abdominalis

Offline Alexander

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  • Beiträge: 261
  • Die Geschwindigkeit kommt dann von selbst...
Antw:2022-11-06 New York City Marathon - cbendl
« Antwort #5 am: 12.01.2023, 00:14:55 »
Gratulation zur hervorragenden Leistung und vielen Dank für den ausführlichen Bericht!
LG Alexander

Offline Josefstädter

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  • Beiträge: 1.946
Antw:2022-11-06 New York City Marathon - cbendl
« Antwort #6 am: 12.01.2023, 18:15:57 »
...
Place Overall 618 of 47,745
Place Gender 48 of 21,160
(45-49) Place Age‑Group 1 of 2,796
(AUT) Place Country 2 of 126
Place Age-Graded 37 of 21,160
...

   
Diese Zahlen kann man nur bewundern. Schon beim ersten Lesen bin ich fassungslos davor gesessen und wusste nicht, wie ich in geeigneter Form gratulieren sollte. 
  :welle2: :welle1: :welle2:
 

 

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