Wie sehr ich mir die Gegenwart gewünscht habe, das Jetzt, die Tage nach dem Ironman, all das endlich hinter mir zu haben, was mich seit rund einem Jahr beschäftigt – den IM Lanzarote geschafft zu haben und darauf zurückblicken zu können.
Wie es dazu gekommen ist, die Vorbereitung, all die Schwierigkeiten, der Aufwand usw wäre ja sogar einen Blog wert gewesen, doch dieser Einfall ist mir erst zwei Wochen vor dem Start gekommen – und es ist gut so: die Zeit ist wohl besser mit Training genützt als mit Berichterstattung darüber.
2011 hatte ich meine siebente und bis dato letzte Triathlon-Langdistanz, den IM in Kärnten, beendet und war erstmal unter 10h geblieben. Spätestens seit damals ist das Interesse an Triathlon rapide gesunken, wie mir auch generell Sport wegen beruflicher und privater Veränderungen weniger wichtig war. Allem Anschein nach schien meine IM-Karriere ausgelaufen zu sein.
2015 gab`s einen zweiwöchigen Urlaub in Puerto del Carmen auf Lanzarote. Dort ist Start und Ziel des schwersten und eines der ältesten IM dieser Serie und er ist dort sehr präsent.
Ich hab` mir damals auch für ein paar Stunden ein Rennrad ausgeborgt und bin rund 80km auf der Radstrecke gefahren. Irgendwann ist der Gedanke aufgekommen, dass ich, wenn ich wirklich nochmals so was machen will, nur noch hier starten will.
Diese Idee ist dann im Dezember 2017 beim Lanzarote-Marathon in Costa Teguise ausgereift und der Entschluß wurde gefaßt, 2019 hier meine achte und letzte Tria-Langdistanz (nach 5x Kärnten und je 1x Zürich und Podersdorf) zu absolvieren. Auch vor zwei Jahren bin ich mit einem Leihrad einen Teil der Strecke abgefahren und durfte dabei heftigsten Wind erleben.
2018: Anmeldung, ab August nach Jahren wieder regelmäßiges Radtraining und Schwimmen in der Südstadt, Trainingsberatung und Checks in der „Sportordination“.
Es war schön und toll, wieder lange Radausfahrten zu machen, wieder in ein strukturiertes Training zu kommen, aber es war doch alles nicht so leicht wie in meiner besten Zeit. Nicht nur, dass ich jetzt um acht Jahre älter war, das Training war insgesamt recht schwer in die Erfordernisse des Alltags zu integrieren.
Da in Lanzarote der Radsplit objektiv mit 2500 HM, Hitze und starken Winden die größte Herausforderung ist, konzentrierte ich mich im Training in erster Linie auf das Radfahren. Das ganz langsame Fahren im niederen Fettverbrennungsbereich war schwierig und ich blieb oft darüber. Ganz anders dann im Winter am Ergometer – wie leicht ich da mit niederem Puls fahren konnte. Dennoch zeigte die zweite Leistungsdiagnostik zum Jahreswechsel fast keine Steigerung an.
Ich beschloß, mich davon nicht irritieren zu lassen, mir ging`s nur um`s Finishen (egal in welcher Zeit, Hauptsache unter 17h).
Wegen Anlaufschmerzen im rechten Fuß legte ich Jänner/Februar eine sechswöchige Laufpause ein und fuhr Ende Februar auf ein zweiwöchiges Trainingslager nach La Santa, auf der Westseite von Lanzarote. Wegen eines äußerst behutsamen und defensiven Einstiegs, wurde es mein erstes Trainingslager mit weniger als 1000 Rad-Km. Fast noch wichtiger war aber das Kennenlernen der IM-Radstrecke und am Ende kannte ich fast jeden Meter davon.
Ende Februar begann ich wieder mit dem Laufen. Die Schmerzen, die fast ausschließlich die ersten barfüßigen Schritte nach dem Aufstehen von Bett oder Sessel betreffen und nicht beim Laufen auftreten, sind unverändert vorhanden und vergehen auch nicht durch Physiotherapie. Die letzten Wochen kann ich dennoch gut trainieren und merke gewisse Fortschritte.
Vier Tage vor dem Start fliege ich nach Lanzarote und beziehe mein Quartier in unmittelbarer Nähe des Wettkampfgeländes. Ich bin motiviert, entspannt, gesund und halbwegs gut vorbereitet und auch mein Rad hat den Transport gut überstanden.
Routiniert, rasch und reibungslos geht die Startnummernabholung im Club La Santa über die Bühne und meine Freude auf den IM steigt.
Zwei Tage vor dem Bewerb sind auf einmal Zweifel, Angst und Unsicherheit da – ich war kurz im Meer geschwommen, dabei Wind und Wellen und der zwei mal zu durchschwimmende Kurs schaut so weit aus. Es kommt die Befürchtung auf, nicht mal die Cut Off-Zeit von 2h20 zu schaffen.
Halbwegs kann ich schließlich meine negativen Gedanken im Zaum halten und Positives hervorkehren.
Dann noch einmal, ein letztes mal, diese furchtbare Nacht vor dem Start erdulden, ehe schließlich irgendwann nach 4 Uhr am Renn-Tag der Wecker läutet.
Frühstück, Neo anziehen, zum Start pilgern, Rad nochmals in der Wechselzone checken. Es ist windig und noch immer stockfinster.
Start um 7h, es ist endlich hell, aber der Himmel ist bedeckt. Ich stelle mich mit fast 1600 anderen Athleten auf - ganz hinten und außen, um im Gewimmel keine Schläge einstecken zu müssen – und das ist eine gute Idee, denn ich bleibe ziemlich unbehelligt.
Raus ca. 160m zur ersten gelben großen Wendeboje, dann die Längsseite des Rechteckkurses. Gegenwind bzw. –wellen, vier weiße Richtungsbojen, ich komme in einen guten Rhythmus und freue mich, dass da trotz meiner ungelenken Armbewegungen ein Vorwärtskommen ist. Es ist ja schon im Pool in der Südstadt ohne Neoprenanzug und ohne Wellen nicht so einfach, aber hier im Open Water ist das Umsetzen der Armzugtechnik fast unmöglich für mich. Trotzdem sehe ich anhand der Bojenkette, dass ich vorankomme.
Nächste Wendeboje, das scheinbar kurze Stück zur dritten Wendeboje wird mühsam, Wellen von der Seite und mich treibt es irgendwo hin. Endlich ist der letzte Richtungswechsel geschafft und mit Rückenwind zu Start/Ziel. Die erste Runde ist geschafft, ca. zehn Athleten haben mich schon überrundet, aber ich bin sehr froh, auf der Uhr ca. 49 min abzulesen. Somit sollte die zweite Runde auch kein Problem werden. Leider gibt es auf dem kurzen Landgang kein Trinkwasser, um den grauslichen Salzgeschmack etwas rauszuspülen.
Für die zweite Runde brauche ich rund 10 min mehr, ich merke die Müdigkeit. Wellen gepaart mit Benzingeruch im Wasser sorgen für etwas Übelkeit – ich wechsle immer wieder kurz ins Brustschwimmen. Nach letztlich 1h47 habe ich es geschafft, erstmals 3,8km im Meer und meine schwächste Disziplin liegt hinter mir!
In der Wechselzone lasse ich mir mit allem Zeit, verbringe über 10 min. dort. Trinken, von Helfern mit Sonnencreme einschmieren lassen, Sand von den Füßen waschen und auf`s Klo gehen, da ich endlich einmal nicht in den Neopren-Anzug pinkeln mußte.
Wie immer finde ich mein 15 Jahre altes Canyon-Radl recht schnell, da fast alle Bikes mit ihren Besitzern schon draußen sind. Die ersten noch einigermaßen flachen KM der fast zur Gänze gesperrten Strecke führen durch den Ort und über eine Umfahrungsstraße.
Bald nach rechts hinauf; bei kühlem heftigem Gegenwind sind insgesamt rund 300 HM tlw. über asphaltierte Güterwege an Tías vorbei nach Conil zu überwinden. Ab hier kenne ich jeden Meter der Radstrecke. Wir sind nun kurz im Weinbaugebiet La Geria – unzählige Weinstöcke wachsen hier im Vulkangestein – und erreichen südwärts fahrend nach rund 23 km die Ortschaften Uga und dann Yaiza.
Es folgt eine Runde über El Golfo, wo „frische“, fast 300 Jahre alte weitreichende Lavafelder ins Meer münden und dann geht`s in die Feuerberge im Nationalpark Timanfaya. Zuerst rund 5km auf einer schnurgeraden Straße mäßig bergauf durch die Geröll-Einöde, wobei uns heftiger und lauter Gegenwind martert, dann nach einer kurzen Abfahrt flach weiter nach Mancha Blanca. Hier sind bei Km 60 die dritte Labestelle und die erste Cut Off-Zeit. Für mich besteht allerdings keine Gefahr mehr, aus dem Rennen genommen zu werden; ich bin auch ziemlich auf der Überholspur, obwohl ich versuche, mich zurückzuhalten.
Wir fahren nun auf der Ruta de los Volcanes, ein rund 6 km langes Straßenstück, das auf beiden Seiten von Vulkankegeln und Eruptionsmaterial gesäumt ist. Die Sonne ist inzwischen heraußen, Rückenwind treibt an und die Schatten von Wolken überholen mich am Asphalt – es ist wunderschön.
Wieder sind wir in La Geria, schwenken nach links bzw Norden in den Gegenwind. „Weingärten“ und Bodegas am Straßenrand, über Masdache erreichen wir César Manriques „Monumento al Campesino“ bei San Bartolomé.
Lanzarote ist wohl einer der seltenen Fälle, wo ein Künstler, nämlich Manrique, mit Unterstützung von Lokalpolitikern die Möglichkeit hatte, seine Ideen in großem Stil umzusetzen. Es gibt von ihm hier einige wunderbare und faszinierende Werke, entstanden im Einklang mit der Natur und beeinflußt von den Gebräuchen der bäuerlichen Alltagskultur. Sie sind ein wichtiger Faktor im lanzarotischen Tourismus.
Jetzt ist eine „ewige“ Gerade durch wüstenhaftes Terrain hinauf in die alte Inselhauptstadt Teguise zu bewältigen, der Wind natürlich von vorne kommend. Hier treffe ich auf die Spitze des Feldes, die schon am Weg Richtung Ziel ist. Viele Zuschauer hier, viel Anfeuerung, aber auch im Niemandsland zwischen den Orten immer wieder Fans. Es ist heiß, aber wegen des heftigen Windes sind einige sogar in Outdoorjacken gekleidet. Rückblickend betrachtet fällt es mir schwer zu sagen, ob weniger Wind war als im Trainigslager im März oder ob er mich im Wettkampf-Modus einfach weniger gestört hat.
Es wird kurz flach, sogar leicht bergab führend, dann geht`s wieder bergauf zu Kilometer 90 in Los Valles. Es wird steiler, es ist heiß, es ist windig, zwei Serpentinen, dann den Bergrücken entlang zum höchsten Punkt des Kurses (ca. 650 Hm) bei Los Helechos. Immer wieder großartige Ausblicke über die Insel und auf`s Meer hinaus, aber es ist wohl besser, den Blick auf die Straße zu richten.
Viele Höhenmeter „verlieren“ wir bei der serpentinenreichen Abfahrt hinunter nach Haría. Kaum im Ortszentrum angekommen, geht`s schon wieder hinauf – es sind jetzt noch ca. 10 km bis zum nördlichsten Punkt des Kurses, dem Mirador del Rio. Linkerhand ist die kleine Insel La Graciosa zu sehen.
Ab hier wendet sich die Radstrecke wieder gegen Süden und die meisten Teilnehmer freuen sich wohl über die nun folgende 11km lange Abfahrt bis Arrieta. Mir taugt das Bergabfahren weniger, denn ich traue dem Rückenwind nicht so sehr und fürchte, dass irgendwelche einzelnen Böen plötzlich von der Seite auf die Straße springen und mich aus dem Gleichgewicht bringen. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 59 km/h überholen mich natürlich viele der zuerst von mir überholten Athleten – aber das ist mir egal, ich will gesund ins Ziel kommen. Unten angekommen, fast auf Meeresniveau wieder, folgen noch einige tolle flache Kilometer mit Rückenwind. Wind von hinten bedeutet allerdings, dass es nun äußerst heiß ist und als es wieder nach Westen hinauf nach Teseguite ging, sorgt der Seitenwind für angenehme Kühlung.
Der moderate Anstieg ist rund 6 km lang und wir kommen aus der Gegenrichtung zurück nach Teguise. Wieder eine Abfahrt mit Seitenwindgefahr zu einem großen Kreisverkehr und hier Richtung Surferhochburg Caleta de Famara an der Westküste. Leicht bergab, aber Gegenwind, nach 6,5 km der Wendepunkt und mit Rückenwind flott bergauf zur Abzweigung und unaufhaltsam über La Geria Richtung Ziel – alles auf schon bekannter Strecke, nur halt in die andere Richtung.
Weil wieder mal Schmerzen im rechten Fußballen auftreten, ziehe ich den Fuß aus dem Schuh und stelle ihn auf den Radschuh – auch das ist nicht neu und behindert mich nicht. Am Radsplit habe ich mich insgesamt nicht besonders spritzig gefühlt, war bemüht, eher defensiv und „gemütlich“ die 180 km abzuspulen und war deshalb auch am Schluß nicht besonders erschöpft. Trotzdem ahnte ich schon, dass, im Hinblick auf`s Laufen, die siebeneinhalb Stunden im Sattel wohl nicht folgenlos bleiben würden. Die Schlußabfahrt hinunter nach Puerto del Carmen verbringe ich wieder mit viel bremsen, ehe ich wieder in die Wechselzone fahre. Alles durchgefahren, keine Panne, kein Hungerast, jetzt noch 42 km laufen - meine stärkste Disziplin.
Wieder über 10 Minuten im großen Zelt, ich lasse mir mit jedem Handgriff Zeit, werde wieder mit Sonnencreme eingecremt, gehe zum zweiten mal auf`s Klo und begebe mich auf die Marathonstrecke. Diese besteht aus einer 21km-Runde und zwei 10,5km langen Runden.
Es ist brennheiß und nach wenigen Metern schon merke ich…ui, das wird nix. Die Beine ziemlich leer und schwer, als wäre ich gerade knappe 200 Km über eine heiße, baum- und schattenlose, gebirgige und windige Insel geradelt.
Zehn Stunden bin ich bereits unterwegs, eine im Optimalfall 12h-Zeit ist damit unmöglich und auch eine vorher realistische 13er-Zeit ziemlich außer Reichweite.
Es ist mühsam, ganz langsam laufe ich weiter und komme bald in einen passablen Rhythmus. Meinem vorher gesetzten Ziel, bis zum Wendepunkt der ersten Schleife bei KM 10,5 zu laufen, komme ich näher.
Der Laufkurs ist fordernd: sehr wellig, insgesamt über 300 Hm, wenig Schatten. Auf der Party-, Freß- und Shopping-Meile Avenida de las Playas müssen wir Läufer am Geh- und Radweg laufen und da ist es eng. Nicht nur wegen der entgegenkommenden Athleten, sondern auch weil hier unzählige, oft britische Touristen, ihre bleichen sonnengeröteten, sich meist in verschiedenen Adipositas-Phasen befindlichen amorphen Körper kreuz und quer durch die Gegend schieben. Deshalb weichen viele Läufer immer wieder auf die gesperrte Fahrbahn aus.
Kurz nach Km 5 ist der Wendepunkt für die spätere zweite und dritte Runde und ab hier ist es angenehmer. Hotels, Pubs, Shops, das Ortsgebiet, liegen hinter uns und wir laufen am gepflasterten Küstenweg Richtung Playa Honda und der Inselhauptstadt Arrecife. Kerosingeruch liegt in der Luft, denn wir passieren den Flughafen und die landenden Flugzeuge fliegen knapp über unsere Köpfe hinweg.
Für zwei, drei Kilometer laufe ich Schulter an Schulter mit einem anderen Triathleten, ehe ich ihn ziehen lasse. Bald schon meine ich den Wendepunkt zu erkennen und bin furchtbar enttäuscht, als kurz vorher erst KM 8 ist. Dann noch eine Bucht und noch weiter, ehe endlich die Labestelle auftaucht. Im Laufen zugreifen und trinken und dann ist endlich der Umkehrpunkt da – 10 ½ km! Ich laufe immer noch und das nächste Ziel ist Km 14, das erste Drittel. Dort bin ich schließlich nach 1h13, merke aber jetzt ein deutliches Nachlassen meiner Kräfte. Letztendlich bin ich bis Km 16 durchgelaufen, das ist die Verpflegung beim 5. km. Endlich gehen und in Ruhe trinken, leider sind die Getränke eiskalt, so dass ich nur winzige Schlucke runterbringe.
Wieder anlaufen, leider ist es mir unmöglich, die 2000m bis zur nächsten Labe durchzulaufen – und das senkt die Moral. Es zieht sich bis zum Ziel, das ich endlich nach 2h02 Laufzeit erreiche.
Gleich nach der Wende bekomme ich das ersehnte blaue Band über den Arm gestreift und der mühsame Gang, der doch noch aus Laufphasen besteht, Richtung Km 5 geht weiter. Immer setze ich mir Ziele, bis zu denen ich laufe, wie zB irgendein Straßenschild, Gebäude, Ampel etc, dann gehe ich wieder. Bergauf gehe ich auch meist, aber das Gehen ist auch nicht wirklich erleichternd, es schmerzt mehr als die Laufbewegung, kostet aber nicht so viel Kraft. Ich überlege, ob es noch für ein Daylight-Finish reichen könnte, aber es ist mir ohnehin egal. Genauso wenig berührt es mich, dass ich das alles hier zum letzten mal mache. Irgendwann ist auch die zweite Runde geschafft und ich bekomme das gelbe Bandl für die letzte Runde. Die große Hitze ist vorbei und das Licht ändert sich. Ich bin so froh, nicht zu denjenigen Läufern zu gehören, die noch ohne Band laufen – einige werden es wohl nicht mehr bis Mitternacht ins Ziel schaffen.
Durst habe ich keinen, aber ich nutze die Verpflegungen als Alibi, um zu gehen. Die beste „Labestelle“ ist eine inoffizielle: Bei einem Hotel bieten Leute warme Hühnersuppe an; leider habe ich nur einmal zugegriffen, obwohl ich dort öfters vorbeigekommen bin.
Gehen, Laufen, Gehen, Laufen – im Laufen bin ich deutlich schneller als andere Läufer, doch leider drängt es mich bald wieder in den Gehmodus.
Es ist mittlerweile schon recht dunkel und nur mit Augenzudrücken kann ich den Zieleinlauf als Dämmerungsfinish bezeichnen. Die letzten ein bis eineinhalb Kilometer laufe ich durch, keine großen Emotionen, ich bin nur froh, es gleich geschafft zu haben. Viel Anfeuerung, ich überhole noch Mitstreiter, um möglichst alleine ins Ziel und auf`s Zielfoto zu kommen.
50 Meter vorm Zielbogen steht die wohl wichtigste Mitarbeiterin im Veranstaltungsteam. Sie erinnert die Finisher, die Zipps der Trikots zu schließen, damit ja nicht zuviel vom Oberkörper zu sehen ist.
Nach 14h und 19 min ist es vorbei und ich habe meine achte Langdistanz beendet. Neun Monate Trainining und viele Entbehrungen sind vorbei, haben sich gelohnt und ich bin einfach nur glücklich darüber.
Ich erhalte ein Getränk, Wärmefolie und eine wunderschöne Medaille: ein Kreis, der von einer Achse durchzogen ist, auf der sich eine kleine Scheibe drehen läßt – in Anlehnung an die überdimensionalen Windspiele von César Manrique, dessen 100. Geburtstag, den er heuer gefeiert hätte, das Jahresthema auf Lanzarote ist.
Wir Finisher gehen die Stufen hinunter zum Strand, wo wir T-Shirt und Armband bekommen, dann ist der Streetwear Bag und die Pumpe zum Holen, weiter schließlich zur Zielverpflegung. Ich bringe kaum was runter, aber es gibt auch Obst und Sandwiches zum Mitnehmen.
Ich halte mich nicht allzu lange hier auf, nehme Rad und Wechselsäcke in Empfang und gehe zum Check-Out.
Wenige Minuten später schon bin ich in meinem Appartment und ich bin noch immer auf, als das „You are an Ironman“-Gekreische vom Zielgelände längst verstummt ist.
Epilog: 1555 Athleten waren gemeldet, 1369 kamen in die Wertung, ich wurde 967.. Für keinen anderen Ironman außer Lanzarote hätte ich nochmals die Motivation aufbringen können, nach Jahren wieder ins Training einzusteigen.
Die dominierende Haarfarbe bei den männlichen Startern war Grau in allen Schattierungen, die Ultra-Distanzen sind also ein „Country for old men“. Einige haben allerdings den Bike course unterschätzt, denn öfters sind welche am Straßenrand gestanden, mit vermutlich eher physischen als technischen Problemen.
Für mich war der Schlüssel zum Erfolg, dass ich die Radstrecke in- und auswendig kannte, das war mental ein großes Plus. Beim Laufen blieb ich dafür mit 4h36 doch unter meinen Erwartungen – aber das macht nichts, da ich die Trainingsvorgaben nur zu einem geringen Teil umsetzen konnte.
Ich kann nur den Hut ziehen vor jenen, die sich schon öfters diese schwierige Strecke angetan haben und auch großen Respekt vor älteren Startern. Ich durfte selber erleben, um wieviel mühsamer das Training mit 47 als mit 37 Jahren ist. Drum bin ich sehr zufrieden, dass es mir gelungen ist, hier einen bewußten Schlußpunkt unter meine IM-Ambitionen zu setzen (und vielleicht mache ich das in 10 bis 15 Jahren auch beim Marathon-Lauf).