Liechtenstein-Alpinmarathon
Wenn der sportliche Zenit überschritten ist, ändert sich meist die Zielsetzung. Schneller werde ich nicht mehr – das ist zwar doch etwas bitter, aber auch nicht das Ende der Welt.
Vor ein paar Jahren stellte ich fest, dass ich in fast jedem Kalendermonat einen Marathon gelaufen bin und nachdem ich inzwischen in Madeira (Jänner) und Lanzarote (Dezember) diese Distanz absolviert hatte, fehlte nur noch der Juni.
Letztes Jahr war im Juni der 100er von Biel, deshalb wollte ich heuer dieses Ziel in Angriff nehmen. Viel hatte ich nicht trainiert nach dem Malta-Marathon im Februar – Wochenumfänge zwischen 10 und 20 km und erst im Mai wieder ein paar mal bis zu 60 km – dabei war aber auch einmal eine krankheitsbedingte Laufpause.
Sechs Tage vor dem Alpinmarathon hatte ich in Litschau erstmals den dortigen Halbdistanz-Triathlon bestritten – einen Bewerb, den ich immer schon „machen“ wollte, aber bis jetzt nie dafür Zeit gefunden hatte.
Diese suboptimale Vorbereitung hat mich allerdings nicht weiter gekümmert und bin ergo in freudiger Erwartung des Kommenden in der Nacht von 14. auf den 15. Juni mit dem Autoreisezug nach Feldkirch gefahren, um nach einem vormittäglichen Altstadtbummel das Quartier an der Ortsgrenze zu Rankweil zu beziehen. Am Nachmittag Abholen der Startunterlagen in Bendern im nördlichen Teil des Fürstentums. Hier wird am Samstag, den 16. Juni, um 9h der Start erfolgen (Seehöhe 440m).
Neben den klassischen 42 Km-Läufern waren hier auch die Halbmarathon Plus-Läufer (25km), die Startläufer der Staffel n(25+17) sowie die Teilnehmer am Pink Ribbon Charity-Lauf über 10km versammelt. Ein kurzer Pink Ribbon-Lauf über rund 2 km führt vom Rheinpark-Stadion nach Vaduz.
Vor dem Start herrscht beste Stimmung unter den Läufern, es ist sonnig und schon sehr warm. Es ist auch angenehm ruhig, keine nervige Moderation und musikalische Zwangsbeschallung, keine AC/DC-Songs werden dir ins Ohr geplärrt, wie es bei anderen Veranstaltungen leider üblich ist.
Pünktlich fällt das Startkommando und wir laufen Richtung Süden. Nach 1,5km geht`s nach rechts zum Rheindamm. Wir befinden uns links des Damms in einem Augebiet und erst nach 5km in der Ortschaft Schaan geht`s hinauf auf die Dammkrone und weiter auf Asphalt zum Rheinparkstadion. Gleich danach links hinunter nach Vaduz. Dort sind auch die ersten 10km absolviert und ich bin dort nach rund 49 Minuten. Noch ein paar Hundert Meter durch den Hauptort Liechtensteins und dann ist`s vorbei mit dem flachen Teil.
Laut Höhenprofil führen die nächsten zehn KM kontinuierlich bergauf und ich hab` mich schon im Vorhinein entschieden, hier nicht alles durchlaufen zu müssen.
Aber noch geht`s mir gut, wir laufen hinauf zum Schloß und bald danach, nach 12 km, links hinein in den Wald. Ich halte mich zurück, überhole dennoch viel, tripple vor mich hin und will zumindest mal bis Km 15 durchlaufen. Über Wald und Wiese, Asphalt und Forststraßen, führt der Kurs mäßig steil nach oben, bald ist das erste Drittel geschafft und ich schaue immer wieder nach oben, wo es weitergeht – ein gutes Zeichen, denn wenn es mir schlecht geht, starre ich nur noch vor mir auf den Boden und schütte gierig Cola in mich hinein - ich trinke aber nur Wasser und Iso.
Immer wieder aber auch der Blick nach unten und es motiviert ordentlich zu sehen, wie weit unten nun das Rheintal liegt.
Alle fünf KM gibt`s Verpflegungsstationen und dazwischen gelegentlich Wasser – so auch nach Km 17. Ich nehme mir zwei Becher und beginne zu gehen, während ich trinke. Kaum bin ich fertig, laufen wir ein Stückchen bergab und das war schon etwas ungewohnt nach dem vielen Bergauf. KM 18, Km 19, über eine Wiese hinauf, wir berühren ein paar Meter lang eine Asphaltstraße und sind sofort wieder im Gelände - nach links müssen wir steil bergauf. Ich gehe wie fast alle, denn laufen macht hier keinen Sinn; irgendwann flacher, wieder ins Laufen übergehen, endlich der Weiler Silum und Km 20, zweites Gel für mich, zwei Becher Wasser und ein kurzer Blick auf die Uhr: 2h11 unterwegs; da wird´s wohl eher nix mit einer Zeit unter 4h30.
Inzwischen spür` ich die Belastung, es geht noch ca. einen KM mäßig bergauf, 2h16 beim nicht markierten HM und wenig später endlich bergab auf anfangs schmalem Pfad und später einer Almstraße.
An leicht erreichbaren Punkten sind immer wieder Zuschauer und das ist schön so. Das Wetter ist fast perfekt, vielleicht etwas zu warm. Durch eine Kuhherde laufen wir Richtung der winzigen Ortschaft Steg. 25km haben wir mittlerweile in den Beinen, die Staffeln wechseln und die HM Plus-Läufer beenden ihr Rennen.
Irgendwie fühle ich mich jetzt ordentlich schlapp, keine Kraft mehr, obwohl es eher eben über eine Weide geht. Ich stärke mich bei einer Tränke und es ist mir egal, ob das jetzt Trinkwasser ist oder nicht. Ich gehe etwas, laufe wieder, KM 26, es geht wieder besser, aber ich beschließe, beim nächsten Labeposten ordentlich zu essen. Auf einer Naturstraße weiter meist leicht bergauf, ich laufe und wenn`s zu steil wird, gehe ich kurz. Immer wieder überholen mich Staffelläufer – die sind noch frisch. Endlich der 30. Kilometer, ein erneuter Blick auf den Chronometer zeigt 3h13 – das paßt auf jeden Fall für Sub-5h, mein Minimalziel.
Ich habe bis jetzt alles meine Marathons unter 4h beendet, nur für den Kainacher Bergmarathon im Jahr 2003 brauchte ich 4h24. Das ist auch so ein vages Ziel von mir – keine 5h-Zeit über 42 km und im Flachen so lange wie möglich unter 4h finishen.
Noch drei- oder vierhundert Meter und es gibt wieder Stärkung. Ich brauche ein längeres Päuschen, trinke und esse viel, vor allem Orangenspalten ziehen mich magisch an. Und weiter…Km 31, noch immer auf geschotterter Straße, langsam laufend, gelegentlich einige Gehschritte, raus aus dem Wald, Almterrain, es wird wirklich zäh. Immer steiler, Km 32, nur noch 10.000 Meter. In einer geraden Linie zieht sich der Weg hinauf. Wie meine Mitleidenden gehe ich viel. Irgendwann wird`s eine Singletrail-Spur, ein stufiger Wanderweg, schwer zu laufen, ähnlich dem Schlußteil beim Schneeberglauf. Kein ebener Meter hier, Laufen sinnlos, schon deswegen, weil das Stoppen und der Übergang ins Gehen schon anstrengend genug sind. Kurioserweise ist ein ganz kurzes Stück des Pfades hier betoniert, und das erschwert das Gehen noch mehr. Zum Glück ist der Spuk nach einer Minute wieder vorbei.
Km 33 ist passiert, längst sind wir im Latschengebiet und erreichen schließlich bei einer weiteren Wasserstelle wieder eine Almstraße. Noch immer bergauf, gehend oft, aber auch laufend, es ist nicht mehr weit.
Gleich sind wir am Sassförkle, einem Übergang auf 1771m, dem höchsten Punkt der Strecke. Eine weitere Verpflegung ist hier aufgebaut, ich lange ordentlich zu, zB Bouillon und Salzgels und erstmals Cola. Frisch gestärkt und munter geht`s wieder runter, KM 35, Km 36 – der Lautsprecher vom Zielbereich ist bald zu hören. Noch fünf KM, wir sind in Malbun, einem Schigebiet und ein paar Meter rechts ist der Zielbogen. Aber es dauert noch: steil hinauf in Richtung Talschluß, auf der anderen, der orographisch linken Talseite sehe ich Läufer bergab laufen – aha, dort muß ich auch noch hin.
Der folgende Km auf steiler Schotterstraße ist größtenteils nur gehend zu bewältigen, Km 38, dann bergauf und bergab auf schmalem Wanderweg Richtung dem Bachlauf in der Talsohle. Noch eine Wasserstelle, noch einmal zulangen, dann zum 39. mal bei einem Marathon am KM 39-Schild vorbei, es ist nimmer weit, auf der anderen Talseite schräg den Hang hinauf, an einer Geländekante vom Schatt- in den Sonnenbereich und irgendwo da oben kann ich schon das nächste der kleinen weißen Schilder ausmachen - KM 40 und ich schaue zum vierten mal auf die Uhr:
4h44! Uiuiui, da hab` ich ordentlich verschlafen, hätte mit einer 10 bis 15 Minuten schnelleren Zeit gerechnet. Jetzt aber nochmals Gas geben. Noch ein Stückerl hinauf zu einer Schotterstraße und ab jetzt bergab. So richtig schnell werde ich trotzdem nicht, denn beim 41er bin ich nach 4h50. Scharfe Rechtskurve, weiter deutlich hinunter ins Ortsgebiet und endlich auf der Zielgeraden. Nach 4h56,59 durchlaufe ich den Zielbogen – GESCHAFFT!!
Trinken, trinken, trinken, dazu Obst und Brot sowie Riegel. Große Zufriedenheit in mir. Es stört mich nicht, dass ich erstmals bei einem Marathon keine Medaille bekomme – dafür gibt`s ein T-Shirt sowie einen Swarovski-Kugelschreiber.
Den Marathon beenden 75 Frauen und 243 Männer – ich belege den insgesamt 119. Platz.
Im Ziel gibt`s auch Dusche und Massage, außerdem kann man sich im Restaurant des Schigebiets verpflegen. Ansonsten geht es auch wie beim Start entspannt und ruhig zu, einzig der Schuhhersteller Mizuno hat ein kleines Verkaufszelt aufgestellt.
Für den Transport ins Tal bzw zum Start stehen neben den Linien- auch Shuttlebusse zur Verfügung. Kurz bevor „mein“ Bus abfährt, steigt jemand von der Organisation ein, fragt uns, wie es uns ergangen ist, wie es uns gefallen hat und ob es Verbesserungsvorschläge gibt. Er lädt auch für nächstes Jahr zur 20. Ausgabe des Liechtenstein-Alpinmarathon recht herzlich ein.
Dieser Einladung kann ich mich nur anschließen, denn dieser Lauf ist eine relativ kleine, sympathische und gut organisierte Veranstaltung.