ein Marathon wie ein Traum, Wer hat an der Uhr gedrehtDie Vorbereitung hat ja eigentlich ganz gut geklappt, nur eine kleine Zerrung hat mich von ganz langen Läufen mit EB abgehalten, wahrscheinlich im Nachhinein ein nicht unwesentlicher Faktor. Aber es war eine schöne Zeit.
Auch das Wetter am Tag selber war für einen Marathon mehr als zufriedenstellend, die paar Grad zwischen Null und zehn sollten dem Forum eine weitere Zeit unter 3 Stunden bescheren, doch.... davon soll der Wunder-Luxusläufer berichten.
Als wir gestern aufstanden, gefrühstückt hatten, war irgendwas anders als sonst, ich war über die Maßen nervös. Lag es an den Medi-tapes, die meine Arme vor Schmerzen schützen sollten? Ich hatte das Gefühl, eine unnatürliche Muskelspannung im Körper zu haben. Lag es am Kaffee? Keine Ahnung. Ich deutete es positiv, war endlich wieder richtig schön angespannt und nervös vor einem Marathon. Was für ein Gefühl!
Beim Aufwärmen treffen wir auf unsere Leute, Mischa hält die Stellung auf der Forumsinsel, ist der Fels in der Brandung und füttert so manchen mit Gels durch den Marathon. Danke dafür!
Ich starte heute auch einen ganz neuen Versuch, nachdem mich ja beim letzten LCC Marathon der mp3 Spieler zu einer neuen PB getrieben hat, laufe ich heute den ganzen Marathon mit Musik. Der Spieler soll mich dabei überraschen, ich habe den Shuffle-Modus eingestellt. Los geht’s.
Was für ein Gefühl, ich werde von neuseeländischen Klängen im Ohr über die Startlinie getragen, habe mich absichtlich weit hinten hingestellt, um permanent das Gefühl des Überholens genießen zu können. Nun, es wirkt, eigentlich wirkt es wirklich bis zum letzten Kilometer ich sollte zwar überrundet, aber nicht (oder kaum) überholt werden. Im Endeffekt sollte es aber ein nicht unbeträchtlicher Nachteil sein, weil ich keinerlei Anhaltspunkte habe, wie schnell nun in meiner angestrebten Zeit von zumindest 3:20 (eigentlich hoffte ich auf 3:17) gelaufen werden muss.
Nun, es geht über die Startlinie.
So locker wie selten laufe ich die ersten 3 Kilometer, genieße die Schmerzfreiheit und versuche mich rein nur auf die Musik und meinen Laufstil zu konzentrieren, was für ein Spaß! Irgendwo bei km 4 oder 5 laufe ich auf den wienerwaldlaufenden Gernot mit seinem Sohn auf. Sein Sohn scheint den 7er zu laufen, in einem wirklich guten Stil und Tempo. Ich erlaube mir, den Filius ein wenig zu coachen und begleite ihn auf den letzten 2 KM. Ein Fehler, weil dessen Tempo mich ein wenig mitreißt. Ich hab aber heut eigentlich eh nix vor, dann kann ich es ja ruhig machen.
Der Junior rennt sehr brav, macht ganz selten Anstalten nach hinten abzureißen, doch ich motiviere ihn und schicke ihn auf den letzten 400m noch in einen Sprint. Wär interessant, wie es ihm insgesamt gegangen ist.
Nun, ich habe somit auch meine erste Runde beendet. Alles locker, alles lustig. Die Kilometerzeiten schwanken zwar extrem, doch schiebe ich dies eher auf die recht unregelmäßige Beschilderung, als auf meinen Lauf. Scheinbar bin ich in ca 4:30 unterwegs, ein annehmbares Tempo.
Die 2 Runde klappt inklusive Versorgung durch Mischa ausgezeichnet, in der 3. Runde achte ich darauf, nicht zu sehr das Tempo der Halbmarathonis mitzugehen. Zu groß ist die Gefahr, dass sie HM´ler Tempo verschärfen und ich dann eingehe.
Wenn ich immer wieder den LCC Marathon als Wohnzimmer-Marathon bezeichne, so kann man wohl das absurde Gefühl, wenn man nach der 3. Runde plötzlich allein auf weiter Flur rennt am besten folgendermaßen beschreiben: Ulrich allein zuhaus.
Gut, dass ich meine Musik habe. Gut auch, dass ich jede Runde massenhaft Freunde treffe, die es anzufeuern, abzuklatschen und zu grüßen gilt.
Gut, dass das spannende Rennen von Jean Marie und Tobias für mich als Beobachter einen ganz eigenen Reiz hat. 7
Und gut, dass ich manchmal einen Hang zu absurden Gedankenspielen habe, all diese Faktoren retten mir die 2. Hälfte des Laufes.
Ich bin ja ein leidenschaftlicher Traumdeuter, es macht mir einfach Spaß, die Bilder der Nacht auszulegen und somit zu verarbeiten. Nachdem ich bereits des öfteren von Marathons und freilich auch vom LCC geträumt habe, versetze ich mich einfach in die Situation des Traumes. Ich rede mir ein, es wäre nun alles nur ein real wirkender Traum, und betrachte mich, den Prater, alle Kollegen, Freunde aus diesem Blickwinkel. Was wär´d Ihr, wenn ich nun träumen würde?
Was will mir die Untermalung „it´s a beautiful day“, „Glory Day´s“ „Where the streets have no Name“ etc sagen? Es ist ein Marathon, I´m a marathon runner, es gibt ein Ziel zu erreichen, von dem ich weiß, dass ich es schaffen kann und schaffen werde. Im Endeffekt bin ich zwar bei diesem Lauf auf mich allein gestellt, doch teile ich dieses Schicksal mit allen anderen, die hier auf der Strecke sind. Gut zu sehen, dass es Heidi scheinbar sehr gut geht, sie macht einen glücklichen Eindruck. Ein tolles Traumsymbol
In der 5. Runde wird meine Fantasiewelt ein wenig auf die Probe gestellt, ich mag eigentlich gar nicht mehr so. Und doch, es ist ja nur ein Traum, ich kann mich ja leicht mit der Kraft der Überzeugung überwinden, körperliche Fragen spielen im Traum ja nur eine untergeordnete Rolle, also mach Dir keine Sorgen. I´m a marathon runner.
Renn einfach.
Wieder auf der Allee angelangt merke ich, dass ich ja doch noch ein halbwegs gutes Tempo von 4:40 laufen kann, es macht zwar nicht mehr diesen großen Spaß, doch freue ich mich, als ich von Alfred angefeuert werde, als er mich überrundet und Richtung Ziel eilt. „Renn Alfred, im Ziel gibt’s Schuhe für Dich!“ (Stimmt zwar so nicht, aber lustig war es alle mal
)
Na gut, das war´s dann auch bald.
Ich laufe in die letzte Runde ein, den Soundtrack dazu bildet ein Oldie: „ the Wanderer“m irgendwie muß ich schmunzeln, als ich zu diese Lied zwei Geher überhole. Einmal nur die Kurve nach rechts, wieder ein Gedankenspiel: was wenn dies mein letzter Marathon wäre, ich würde jeden einzelnen Meter lieben, hätte ganz eigene Gefühle zu den letzten Metern meiner Lauferei. Ich betrachte die KM 2 und 3 aus diesem Blickwinkel, gleichzeitig freue ich mich sehr darüber, dass von einem Ende meiner Marathonlauferei weit und breit nichts zu sehen ist. Also freu dich, es ist Dein Hobby, es ist Dein Leben, es ist Dein Traum.
Einmal noch rauf zum Praterstern, „Rock DJ“! Dann weiter Richtung Ziel „Glory Days“, ich überhole noch ein paar Mal, wissend, dass ich hier keine Plätze oder Zeiten gewinne, sondern nur von hinten auflaufe.
Macht nichts, einmal noch den letzten KM vor der Forumsinsel, einmal noch Mischa danken für seine Unterstützung und … fast biege ich falsch ab... dann doch Richtung Ziel. Plötzlich muß ich mir ein lautes Lachen verbeißen, einer meiner Lieblings-Happy-Songs auf der Zielgerade:
Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät Soll das heißen, Ja ihr Leut, mit dem Lauf ist Schluß für heut.
3:21
Schnell gehe ich zur Forumsinsel, Schlüpfe dann in trockene Sachen, ich ahne, Heidi ist bald auch im Ziel, sie war immer recht knapp in meiner Gegend.
In 3:46 ist sie dann mit der 2 besten je von Ihr gelaufenen Zeit freudestrahlend im Ziel.
Nun... paßt doch!
Schade, dass die Organisation im Ziel nicht vorhanden ist, auch die Medaillen müssen wir uns später erst im LCC-Büro holen, das sollte eigentlich bei einem Marathon schon an der Ziellinie sein!