Alle guten Dinge sind nicht immer drei oder Eigentlich wollte ich nie Marathon laufen…
…und trotzdem stehe ich zum fünften Mal an der Startlinie eines Marathons. Der dritte Versuch die Sub3 Grenze zu knacken, naja sagen wir der zweiundhalbte, der erste zählt nicht wirklich.
Davor liegen 8 Wochen adaptiertes Greif-Training, das erste Mal dass ich einen Trainingsplan durchgezogen hab und es hat wirklich Spaß gemacht. Ich fühle mich gut vorbereitet und bin zuversichtlich heute die „magische“ 3 Stunden Grenze zu knacken. Beim Ankommen im Prater bemerke ich dass ich meine Uhr zu Hause vergessen hab, ich versuche es locker zu nehmen und beschließe einfach nach Gefühl zu laufen.
Der Startschuss fällt und Jean-Marie und ich laufen gemeinsam in die erste Runde. Schon nach den ersten Kilometern bemerke ich unser hohes Tempo, aber es fühlt sich gut an also einfach weiter. Mit Jean-Marie bin ich ja auch im Training oft gelaufen und es rollt einfach schön dahin, beim Überlaufen der Matte interessiert uns beide die Zeit nicht, einfach weiter in dem Tempo, es ist zwar noch immer zu schnell, aber es fühlt sich so einfach und gut an, dass ich nicht daran denke langsamer zu werden.
Die zweite Runde vergeht ebenfalls wie im Flug, JM bastelt immer wieder an seinem MP3 Player herum, ich vertreib mir in der Zwischenzeit mit Grüßen und Anfeuern der entgegenkommenden Foris die Zeit und es rollt und rollt. Christoph der mich ja in den letzten zwei Runden begleiten wird ruft uns noch zu dass wir viel zu schnell unterwegs sind, ich stimme ihm zu, doch zum langsamer werden fehlt die Konsequenz. Nach der zweiten Runde hätt ich dann doch ganz gern die Zeit kontrolliert, ist aber nicht möglich da irgendein LCC-Hirni meint die Zeitanzeige umzustellen und diese grad als wir über die Matte laufen durch die Gegend trägt und so die Zeit verdeckt.
Also ohne Zeitkontrolle in die nächste Runde. Es ist herrlich ohne Uhr zu laufen, kein krampfhaftes Kilometerzeit kontrollieren, einfach dahinrollen und laufenlassen, ich genieße diese Runden wirklich und bin guter Dinge. Kurz vor Kilometer 15 plötzlich von JM die Meldung dass er das Tempo nicht mehr mitlaufen kann. Irgendwie ein Knackpunkt bei diesem Marathon, ich bin verunsichert und weiß nicht was ich machen soll, ich fühl mich herrlich und hab keinen Grund langsamer zu werden, im Endeffekt wäre es wahrscheinlich gescheiter gewesen aber ich wollte meinen Lauf machen und mich nicht an anderen orientieren also lauf ich weiter in meinem Wohlfühltempo und JM reißt immer mehr nach hinten ab.
Das Schöne am LCC-Marathon ist ja dass man ständig bekannte Gesichter sieht, ein ständiges Grüßen und gegenseitiges Anfeuern, danke nochmal an alle die da auf und an der Strecke waren, es hat die eintönigen Runden sehr viel abwechslungsreicher gemacht.
Kurz vor der HM Marke schnappe ich mir mein Gel und gleich darauf sehe ich meine Familie an der Strecke stehen, das motiviert und es läuft einfach, ich renn zum dritten Mal über die Matte. Nun kann ich zum ersten Mal meine Zeit kontrollieren und sehe das ich mit 1:26:xx schon viel Zeit auf die Sub 3 gut habe, viel zu viel für meinen Geschmack, doch die Beine laufen wie geschmiert, keinerlei Probleme also einfach ohne nachzudenken weiter. Auch die vierte Runde vergeht im Flug, keine Gedanken an Hungerast oder sonstiges, einfach dahinrollen und Winken und Grüßen und Anfeuern. Ich bin vollkommen positiv eingestellt und will das Ding heute nach Hause laufen. Wieder komm ich bei meiner Familie vorbei, es ist einfach super an der Strecke unterstützt zu werden. Am Ende der vierten Runde hol ich mein nächstes Gel und Christoph läuft nun mit mir mit.
Er fragt ob ich meine km-Zeiten wissen will, ich verneine und will einfach in dem Tempo weiterlaufen, häng mich hinter ihn und folge seinem Tempo. Es ist jetzt zwar nicht mehr so leicht und locker aber das Tempo passt und ich bin noch immer zuversichtlich dass das heute ein guter Marathon wird. Irgendwann laufen plötzlich Jean-Marie und Christian auf uns auf, ich freue mich das Jean-Marie wieder zu Kräften gekommen ist, merke aber dass meine Kräfte langsam schwinden, besser gesagt fange ich an zu kämpfen, aber es geht, ich kann das Tempo noch halten, der Blick ist jetzt zwar nur mehr auf die Schuhe von Christoph gerichtet und im Hirn geht’s nur mehr „Lauf einfach, Marathon tut irgendwann weh, Lauf einfach.“ Jean-Marie zieht in der Zwischenzeit nach vorne davon, das beunruhigt weniger als dass ich merke wie mein Schritt unrunder wird. Die 5te Runde passt aber auch noch, soweit kann ich noch denken. Christoph versorgt mich mit meinem Gel, als ich versuche es aufzureißen merke ich dass die Kraft weg ist, ich muss es Christoph zum Aufmachen reichen.
Jetzt wird es hart, was heißt hart, es wird quälend, bei Kilometer 36 sag ich zu Christoph dass ich keinen Druck mehr auf die Straße bring, die Beine sind tot, die Wadeln schmerzen, überhaupt das Rechte sticht und wird immer wieder von Krampfansätzen gebeutelt. Christoph meint noch dass ich keinen Druck mehr brauche, einfach die letzten Kilometer dahintrippeln und laufen, ich bin zwar anderer Meinung nur fehlt mir die Kraft zu widersprechen, hat ja sowieso keinen Sinn. Ich muss immer wieder Tempo rausnehmen und werde langsamer und langsamer. Nur Christophs Motivationskünsten ist es zu verdanken, dass ich den Marathon überhaupt fertig gelaufen bin. So eine Qual auf so wenigen Kilometern hab ich noch nie im Leben erlebt. Ich glaub bei Kilometer 38 läuft plötzlich mein Bruder neben mir und fragt mich was, ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr was, kann auch nicht reagieren bis mein Bruder von Christoph ziemlich forsch aufgefordert wird mich nicht mehr anzusprechen. Danach folgen noch vier quälende und zermürbende Kilometer. Genau das ist der Grund warum ich Marathonlaufen nicht mag, eigentlich nie einen Marathon laufen wollte aber jetzt bleibt mir nichts anderes übrig als mich ins Ziel zu schleppen. Ich schreie meinen Frust in die kalte Herbstluft des Praters, meine Flüche scheinen aber niemanden zu interessieren. Alle paar hundert Meter muss ich gehen, Christoph versucht mich bei meinen Gehpausen durch energisches Zurufen ins Laufen zu bringen. Das klappt auch halbwegs und ab Kilometer 41 lauf ich dann wieder halbwegs, Haltung bewahren vor der Forumsinsel und beim Vorbeilaufen an meiner Familie und beim Einbiegen ums Eck Richtung Ziel freue ich mich dass meine Tochter neben mir wie ausgemacht ins Ziel läuft.
Sie legt ein ziemlich flottes Tempo vor und ich hab Mühe ihr zu folgen. Auf diesen letzten 200 Metern sind alle Gedanken an Sub 3 oder sonstige Qualen des Marathons vergessen, ich genieße diese letzten zweihundert Meter mit meiner Tochter und laufe Hand in Hand mit ihr durchs Ziel. Sogar ein leichter Jubel entkommt mir beim Überlaufen der Ziellinie. In dem Moment weiß ich nicht welche Zeit ich gelaufen bin, weiß aber schon dass sich Sub 3 nicht ausgegangen ist. Ich bin einfach fertig, in meinem Hirn ist nichts, mein ganzer Körper ist leer, ich liege auf der Straße und registriere so gut wie gar nix. Ich kann mich nicht ärgern und auch nicht freuen, im Endeffekt ein Marathon mit einem langem Hoch die ersten fünf Runden welche schnell vergangen sind, und eine schreckliche letzte Runde die ewig lang gedauert hat und mir den Spaß und natürlich das erhoffte Ziel bei diesem Marathon versaut hat.
Gleich nach dem Marathon war mein erste Aussage dass ich bis Berlin 2012 sicher keinen Marathon mehr laufe, nach 4 Tagen Sightseeing in Berlin ohne einen einzigen Laufmeter bin ich aber schon wieder am Überlegen ob es sich nicht doch lohnt einen netten Frühjahrsmarathon anzugehen.
Naja, alle guten Dinge sind eben nicht immer drei und eigentlich wollte ich ja nie einen Marathon laufen…