Bericht Sierre Zinal 2011Ihr könnt den Bericht mit Fotos auch auf meinem Blog lesen:
https://peterslaufblog.wordpress.com/laufberichte/sierre-zinal-2011/Am 14. August 2011 fand zum 38. Mal der Bergklassiker Sierre – Zinal statt. Der Lauf hat eine Länge von 31km, eine positive Höhendifferenz von 2.200m und einen Abstieg von 800m. Lustigerweise ist dieser Lauf kaum im deutschsprachigen Raum (mit Ausnahme der Schweiz natürlich) bekannt. 2011 nahmen exakt 2 Österreicher und 34 Deutsche teil.
Viele Laufberichte bezeichnen diesen Lauf als den New York Marathon der Bergläufer. Nachdem ich den New York Marathon im November 2011 laufen werde, erklärte mir mein Lauffreund Sebastian, wäre dieser Berglauf die ideale Vorbereitung.
Nach einer schönen Anreise über Genf und Chamonix erreichten wir am Freitag nachmittag Zinal. Sebastian und ich hatten beschlossen, dass wir unsere Unterkunft ( Hotel Europe) in Zinal aufschlagen. Dies stellte sich als absolut richtige Entscheidung heraus. Ich hatte fast etwas Mitleid mit jenen Kollegen, die nach diesem harten Lauf noch eine 45 minütige Fahrt nach Sierre auf sich nehmen mussten.
Den Freitag verbrachten wir noch mit einer Besichtigung des Orts und einem lockeren Spaziergang in der Umgebung. Für Samstag stand nach dem Frühstück einer lockerer Lauf von 30Min auf dem Programm.
Nach dem Studium der Karten hatten wir uns entschlossen, dass wir diesen lockeren Lauf in Chandolin absolvieren wollten, da wir dort “flache” Passagen vermuteten.
Bei ca. 28 Grad Außentemperatur machten wir uns auf den Weg. Die Motivation war bei mir jedoch schnell wieder verflogen, als sich das Flachstück, als ständiges bergauf und bergab (in Summe rund 250 hm über 5 km) herausstellte. Wenn das also die Flachpassage war, dann wollte ich mir gar nicht vorstellen, wie die Steilpassagen aussehen werden. Nach rund 40 Minuten war diese letzte Einheit vor dem Lauf beende. Am Ende befand sich aber auch meine Motivation.
Nach einem kurzen Zwischenstopp im Hotel ging es nun zur Startnummernausgabe ins Rathaus nach Sierre.
Die Ausgabe war perfekt organisiert und so hatten wir innerhalb von wenigen Minuten unsere Startnummern. Im Gegensatz zu vielen Stadtläufen gibt es beim Sierre Zinal Lauf jedoch kein Starterpaket mit Goodies von Sponsoren. Nachdem wir das Rathaus verlassen hatten, deckten wir uns mit Goodies (Sierre – Zinal T-Shirt und Funktionsshirt) ein. Wir genossen die sehr entspannte Atmosphäre, zu der auch eine Live Band beitrug. Nachdem unser Shoppingbedürfnis befriedigt war, ging es wieder zurück nach Zinal.
Am Abend nahmen wir dann zur Stärkung ein üppiges Nachtmahl mit Pasta und einem Vorspeisenteller mit dem hervorragenden Graubündner Fleisch ein.
Die Nacht vor dem Wettkampf war dann für mich einfach nur schrecklich. Mich plagten nicht nur Halsschmerzen, sondern auch das Gefühl, dass ich nicht richtig trainiert hatte. Auch Gedanken eines Nichtantritts streiften durch mein Gehirn. So war natürlich nur schwer an Schlaf zu denken. Es war eine Erlösung als der Wecker endlich gegen 05:00 Uhr klingelte. Um 5:50 saßen wir bereits beim Frühstück. Das Hotel war perfekt auf den Lauf eingestellt. Für die Touristi (Wanderer) servierten sie bereits das Frühstück um 03:00Uhr. Das verdient eine römische Eins.
Um 06:45 brachte uns schließlich ein Postbus nach Sierre. Warum dieser Bus bereits so früh losfährt, ist mir bis heute ein Rätsel, da der Startschuss erst um 09:00 Uhr erfolgte. Wir nutzten die rund 90 Minuten für Klopausen und Gespräche mit anderen Mitstreitern. Eine Dixie-Band läutete dann die heiße Phase vor dem Start ein.
Und dann war es so weit. Wir waren im Mittelfeld der rund 1.200 Läufer eingeordnet. Ich rechnete damit, dass mich viele Läufer sofort nach der Startlinie überholen würden. Doch zu meiner starken Verwunderung wurde ein sehr langsames und lockeres Tempo von allen Teilnehmern eingeschlagen. Nach rund 1km auf einer Asphaltstraße mit leichter Steigung, kam dann die Abzweigung auf einen Feldweg und es entstand der erste Stau. Es sollten noch mehrere Staus auf den nächsten 5km folgen, aber keiner dieser Staus hat einen großen Einfluss auf das Endergebnis. Es gibt noch genug Zeit, um die verlorene Zeit aufzuholen. Als wir auf den Feldweg eingebogen waren, begannen sofort die meisten Läufer von Laufmodus auf Gehmodus umzustellen, nachdem auch die Steigung stark anstieg. Wir gewannen in den nächsten 2km sehr rasch an Höhe, ohne jedoch massive Anstiege zu bewältigen. Immer wieder war es sogar möglich kurz zu Laufen.
Erst kurz vor der ersten Labstation (Beauregard) wurden die Anstiege steiler. Obwohl ich mit einem Trinkrucksack unterwegs war, nahm ich auch alle Verpflegungsstationen in Anspruch. Ich freute mich die ersten rund 600 Höhenmeter absolviert zu haben, aber ich wußte, dass jetzt wohl der steilste Teil noch auf mich warten würde.
Und ich wurde nicht enttäuscht…die Anstiege von Beauregard nach Ponchette (km 7) weisen Steigungen bis zu 35% auf. Das gesamte Feld war jetzt nur mehr gehend unterwegs. Die Anstiege führte über steile Waldwege und Treppen zum Verpflegungspunkt Ponchette auf über 1.800m (wir absolvierten also rund 1.300 Höhenmeter in den ersten 7 Kilometer. Ich war heilfroh, als ich nach rund 1:47 Minuten Ponchette erreichte.
Bereits vor dem Start habe ich mir vorgenommen, dass mein Rennen ab Ponchette beginnt…ich konsumierte sogleich mein erstes Kohlenhydrat Gel, da ich ja auch 2 Minuten gegenüber der empfohlenen Richtzeit verloren hatte. Ich wollte ja schließlich nicht aus dem Rennen genommen werden. Die Muss-Zeiten lagen bei 3:30 für Tignousa und 4:15 beim Hotel Weisshorn.
Auf nach Chandolin (km 12,5)
Leider war ich viel zu erschöpft, um die tolle Aussicht von La Ponchette zu geniessen. Zusätzlich haben gleich mehrere Personen neben mir aufgrund Erschöpfung erbrochen. Ich wollte also wieder loslaufen, doch meine Füße waren noch nicht bereit. Nach dem Gänsemarsch nach Ponchette durch steile Waldwege, gab es jetzt schöne breite Forststraßen, die ein schönes Laufen ermöglichen.
Leider waren meine Beine nicht bereit, um den kleinen Anstieg, der nach Ponchette folgte, zu meistern. Ich frage mich kurz, ob ich so wirklich das Ziel erreichen werde. Aber ich merkte, dass es vielen Laufkollegen ähnlich ging. Das motivierte mich wieder. Nachdem dem kleinen Anstieg auf rund 2.100m absolviert war, wartete ein flacher Teil. Ich merkte, dass plötzlich meine Füße wieder bereit zum Laufen waren. Noch erfreuter war ich, als ich merkte, dass ich mit 5:25 min/km auch richtig schnell war. Der restliche Teil nach Chandolin war sehr einfach und komfortabel zu laufen. Kurz vor Chandolin ging es dann sogar erstmals bergab. Ich erreichte Chandolin nach 2:21.
Von Chandolin (km 12,5) ging es nach der Einnahme des zweiten Gels auf sehr engen Wegen Richtung Tignousa. Ich hatten den Vorteil, dass ich diesen Teil der Strecke ja schon vom Einlaufen am Vortag teilweise kannte. Die Wege sind sehr schmal und führen ständig rauf und runter. Es ist sehr schwer Läufer vor sich zu überholen. Deshalb läuft man in diesen Abschnitt meistens im Pulk. In Summe sind noch weitere fast 200 Höhenmeter von Chandolin nach Tignousa zu bewältigen. Es gibt auch wieder einige sehr steile Passagen, die ich wieder nur gehend bewältigen konnte. Nach rund 3:12 Minuten erreichte ich Tignousa und hatte somit rund 18 Minuten Vorsprung auf das Zeitlimit.
In Tignousa verabreichte ich mir mein drittes Kohlenhydratgel und machte mich mit Vorfreude Richtung Hotel Weisshorn. Größenteils ist dieser Abschnitt sehr schön zu belaufen. Es gibt breite Wege und die meisten Teile sind flach. Dies ändert sich jedoch kurz vor dem Hotel Weisshorn…dann beginnt der Aufstieg…der Weg ist nun felsig mit vielen Steinen, die den Weg säumen.
Es ist also höchste Vorsicht geboten, damit man keinen falschen Tritt begeht. Meine Muskeln fühlen sich noch gut an…ich will aber immer noch nicht Vollgas geben, da wahre Experten von Sierre Zinal sagen, dass das echte Rennen beim Hotel Weisshorn beginnt. Der Aufstieg von 200 Hm zieht sich extrem lange. Schlußendlich ist das Hotel Weisshorn auf der rechten Seite zu sehen und meine Uhr zeigt 3:38. Ich bin richtig erleichtert im Zeitlimit von 4:15 zu sein und gönne mir 3 isotonische Getränke bei der Labstation.
Nach dem Hotel Weisshorn kam nach einem weiteren kurzen Anstieg, dann der schönste Teil der Strecke.
Es sind auch kaum noch Höhenmeter zu überwinden, die Strecke ist aber technisch sehr anspruchsvoll. Nur ein unaufmerksamer Moment würde reichen, um vom Track abzurutschen oder zu stürzen. Es ist also volle Vorsicht geboten. Die Pfade, die uns nach St. Luc führen, sind meistens sehr eng, teilweise behindern Geröllstücke und Felsbrocken den Pfad. Die Strecke ist mir auch deshalb so gut in Erinnerung, weil es endlich möglich war, größere Streckenteile wirklich durchzulaufen. Jetzt verstehe ich auch, warum die erfahrenen Läufer geraten haben, seine Kräfte gut einzuteilen. Würde man dieses Strecke gehend bewältigen, würde mal viel Zeit verlieren.
Nachdem ich St. Luc passierte, geht es dann bergab in Richtung Barneuza.
Die Pfade werden in diesem Streckenabschnitt langsam wieder zu Waldpfaden und weniger alpin. Ich freue mich schon auf die Alphornbläser, die in Barneuza die Läufer empfangen sollten. Leider machten die Musiker wohl kurz Pause, als ich an Barneuza vorbei lief. Kein Ton war zu hören…das war richtig schade.
Nach Barneuza ging es dann steil bergab. Vor allem die letzten beiden Kilometer mit einem Abstieg von 800 Höhenmeter waren absolut brutal. Ich dachte mir nicht, dass ich mir während des Laufs noch einmal wünschen würde, dass es bergauf geht. Meine Muskeln waren schon sehr schlapp und der Abstieg war ein absoluter Kraftakt. Es war eine Wohltat als ich den Waldpfad verließ und endlich wieder Asphalt unter meinen Schuhen spürte. Ich konnte mein Glück nicht fassen, als ich die Bodenmarkierung mit dem Wert 500 las. Nachdem ich beim Abstieg kaum Laufkollegen in meiner Nähe hatte, war ich sehr überrascht als ich einen Kollegen plötzlich vor mir hatte. Wir klatschen einander ab und gratulierten einander. Er war leider schon etwas sehr angeschlagen und ich spürte plötzlich wieder Energie in meinen Beinen…und so entschloss ich mich zu einem Zielsprint.
Ich überquerte die Ziellinie nach 05:09 und hatte meinen ersten Bergwettkampf überstanden.
Nach den Zieleinlauf wurde sofort der Chip, der an der Startnummer befestigt war, abgenommen. Zusätzlich überreichte man mir die Finisher Medaille.
Ich begab mich sofort zur Labstation und trank 3 isotonische Getränke. Ich war überglücklich aber sehr ausgepowered. Ich freute mich auch, dass Sebastian auch noch im Ziel war und sich noch nicht unter der Dusche befand (was ich angenommen hatte :-) . Wir waren beide überglücklich und überwältigt von diesem tollen Erlebnis.
Sierre Zinal war auf alle Fälle eine Reise wert. Es ist eine sehr beeindruckende Strecke. Die Fans und Läufer sind einzigartig. Es herrscht eine tolle Atmosphäre, die auf einen wirkt. Der Lauf ist perfekt organisiert und verdient sich die Bestnoten in allen Kategorien. ( 5 von 5 Sternen)