Zeit(en)los...Naaaaa gut, ein Bericht von einem Marathon der mir so gut gefallen hat – das muss schon sein, auch wenn mich die Frühjahrsmüdigkeit gerade äußerst liebevoll umarmt
. Oder sind das noch die Rauchschwaden der Freistadt Christiania
. Nein keine Sorge, wir waren dort nur Zaungäste. Alleine schon zu beobachten wie eingeraucht da manche am helllichten Tag während er „Arbeit“ waren, war abschreckend genug
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Während ich also hier im Büro versuche wertvolle Dienste für das BIP zu leisten, lasse ich die letzten Tage und Wochen Revue passieren.
Kopenhagen ist schon seit mind. Jänner eingeplant. Praktischerweise haben die Veranstalter das Marathonwochenende so gelegt, dass auch die Konfirmation meiner Nichte (die in Aarhus – das ca. 3,5 h von Kopenhagen entfernt) an diesem Wochenende stattfindet. So ist die Idee schnell geboren, alles unter einen Hut zu bringen. Dass das stressig wird ist klar, aber why not
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Nach einer für mich unglaublichen HM Bestzeit, geht’s rapide bergab. Mach nix – eine Fallhöhe kann man halt nur kennenlernen, wenn man (subjektiv) einmal oben war
. Nach der Darmgrippe, geht’s wieder halbwegs, aber dann stellen sich leichte Zahnschmerzen ein als wir gerade in Kärnten mein heimatliches Latifundium bewirtschaften…
Die werden dann auch recht schnell lästiger, da ich gerade diverse andere Arztbesuche erledige die man bzw. frau nur bei den Ärzten seines Vertrauens macht, denke ich mir, dass das wohl bis Montag warten kann. Tja weit gefehlt – sie warten nicht und werden schlimmer. Zuerst reagieren sie noch gut auf diverse Schmerzmittel und dann gar nicht mehr. Bei der Rückfahrt nach Wien krümme ich mich schon vor Schmerzen. Montags offenbart mir der Zahnarzt dann, dass ein Entzündungsherd unter einem Zahn sitzt… nun ja, der Rest ist bekannt. AB bringen keine Linderung, Mittwochs ist der Zahn draußen + ein weiterer wurzelbehandelt… ich ziemlich vollgepumpt mit Antibiotika und Parkemed.
Das ganze bringt mir:
-1 Woche Krankenstand
-Ein Minus von 3 Kilo
- eine beinahe lauffreie Woche
-Die Erkenntnis, dass unser Ausflug nach DK ernsthaft gefährdet ist
-Das Wissen, dass ich in dem Zustand keinen Marathon laufen kann
Am schnellsten lässt sich das „Gewichtsproblem“ beheben + 3 Kilo habe ich bald wieder
. Der Puls ist dafür total im ****** . das kenne ich natürlich seit ein paar Jahren allgemein schon sehr gut und die 20 Schläge mehr erschrecken mich nicht besonders, nur fürs Marathonlaufen wird das halt ziemlich mühsam. In der Marathonwoche laufe ich dann gleich 4 Mal hintereinander um festzustellen, dass sich da gar nichts tut. Na gut, zumindest spielen die Muskeln wieder mit. Als realistische Zielzeit anhand der Pulswerte setze ich ca. 4:15 fest.
Als wir dann abfliegen gelingt es mir tatsächlich auf dem Flughafen eine Blasenentzündung zu bekommen. Der Marathon ist mir schlagartig vollkommen egal… wichtig ist nur mehr: wie komme ich während des Abfluges aufs WC (O-Ton: der Stewardesss „sie können, aber auf eigenes Risiko“). Nachdem ich meinen Sitznachbarn ungefähr 5 Mal während eines 1,5 h lang dauernden Fluges damit nerve, dass er mir Platz machen muss, schreibe ich meiner Schwester vom Zug aus ein SMS. Als wir dann, inklusive Zugfahrt, um Mitternacht bei meiner Schwester ankommen, gibt’s auch schon einen Notfallplan. Ein befreundeter Internist faxt am nächsten Tag ein Rezept an die Wochenendeapotheke und um 10 Uhr Vormittag halte ich ein Breitband-AB in Händen.
Kann man sich darüber freuen 2 Tage vor einem Marathon ein Breitband-AB in Händen zu halten? Ob man kann, weiß ich nicht, frau kann jedenfalls
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Das Zeugs haut mich trotzdem ganz schön zusammen (Breitband eben…) , ich werde hundemüde. Statt der üblichen 1-wöchigen Einnahme, mache ich eine hochdosierte 1,5 Tages Einnahme daraus und es funktioniert.
Da wir mit Konfirmationsvorbereitungen, Tratschen, Sightseeing, der Konfirmation, seltsamen (dänischen) Ernährungsexperimenten, der Zugfahrt retour nach Kopenhagen und der Bestaunung des „seltsamen“ Cabinn-schiffskajütenähnlichen-Hotels so beschäftigt sind, komme ich gar nicht dazu, Trübsal wegen meiner absoluten Unform zu blasen. Ich bin mittlerweile auch schon relativ erprobt darin, manche Dinge halt einfach hinzunehmen. Zielzeiten interessieren mich nun überhaupt nicht mehr, durchkommen würde ich halt gerne – die Rosskur der letzten Tage wird sich jedenfalls nicht gerade vorteilhaft auswirken
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Ulrichs Idee diesen Lauf ohne Uhr zu laufen finde ich genial. Ohne Stoppuhr und ohne Pulsmessung werde ich mich nämlich auch nicht ärgern… Also bleibt meine Uhr nur als modisches Accessoire am Handgelenk
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Das Startgelände bei der Islands Brygge befindet sich within walking distance – ca. 10-15 Minuten vom Hotel entfernt. Bei der Startnummernabholung (die uns auswärtigen Läufern auf Nachfrage auch ab 8 Uhr am Wettkampftag im Startgelände ermöglicht wird), ist es eher noch kühl und um 8 Uhr ist auch noch relativ wenig los. Aber das ändert sich schnell, wenn es heute sonnig werden sollte, wird es für dänische Verhältnisse eine Hitzeschlacht. Der Startschuss erfolgt pünktlich, da wir aber weit hinten weglaufen, heißt es erst einmal warten. Bei einem Rudel von ca. 10.000 (ausschließlichen) Marathonläufern, ist ein Blockstart durchaus sinnvoll. Man kommt dann auch relativ schnell ins laufen, Ulrich will heute doch ein bisschen schneller laufen – auch weil ich eh nicht weiß, ob ich nicht wirklich 4 h 30 brauchen werde und es daher besser wird, wenn jeder sein eigenes Tempo läuft.
Mangels Stoppuhr bin ich nun wirklich „orientierungslos“ und beschließe erst einmal eine Art Wohlfühltempo und eventuell eine passende Gruppe zu finden. Das ist jedoch nicht so einfach, wenn man sich daran gewöhnt hat immer auf den Puls und Kilometerzeiten zu schauen.
Die ersten Kilometer freue ich mich, dass es sich zwar nicht ganz locker anfühlt, aber längst nicht so katastrophal wie ich befürchtet hatte. Aus der befürchteten Hitzeschlacht wird auch nichts. Es ist zwar warm, aber der lebhafte Wind und die zunehmende Bewölkung, erweisen sich als sehr hilfreich. Ich finde es super so orientierungslos durch die Gegend zu gurken und achte nur auf die Atmung. Bei jeder Labestation bleibe ich stehen und investiere Zeit in den „Genuß“ von Powerade. Diesmal spüre ich, dass mir das Powerade wirklich spürbar hilft, Gels haben wir beide gar keine dabei. Obwohl es im Startgelände sehr diszipliniert zuging (eigene Freiluftpissoirs, viele mobile WCs – niemand pinkelte „wild“) wage ich es auch bei einer Waldlichtung auszutreten
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Motivierend ist sicher auch die Tatsache, dass ich pausenlos (na ja, ausgenommen natürlich bei den Labestationen) überhole.
Die Strecke beinhaltet wenige „fade“ Abschnitte und ist ein reiner Stadt-Kanal-Kurs. Fast überall ist etwas los, es gibt viel Musik. Die sonst so kühlen Dänen, die so stolz auf ihr rational-logisches Verhalten sind (war Mr. Spock vielleicht in Wirklichkeit sogar Däne
?) sind es gar nicht. Ok, sie tanzen zwar nicht alle auf der Straße herum, aber es wird wesentlich mehr angefeuert als in Wien, die zahlreichen Hot-Spots sind Spitze. Einige Kapellen sind auch dazu abkommandiert worden uns musikalisches Geleit zu geben.
Steigungen gibt es zwar ein paar, aber insgesamt ist die Strecke ziemlich flach. Was auffällt ist, dass eigentlich wenige (offensichtliche) ausländische Teilnehmer mitlaufen. (und wir hatten während der Reise noch nichts von wiedereingeführten Grenzkontrollen bemerkt :-)). Auch sind viele in meinem Tempobereich oder langsamer unterwegs. Also auch ein super Marathon für Leute die es gerne langsamer angehen wollen.
An Verpflegung werden Wasser, Powerade, Bananen und Orangen angeboten.
Beim Halbmarathon fängt es plötzlich an zu regnen, eine willkommene Abkühlung die weder stört noch lange anhält. Irgendwo nach einer Wende, sehe ich den 4 h Pacer. Der läuft ca. 1 Km vor mir nur habe ich keine Ahnung ob er mich vielleicht auf der Strecke einmal überholt hat, daraus kann ich also relativ wenig ableiten was für ein Tempo ich eigentlich gerade laufe. Ich nehme mir eine Weile vor ihn einzuholen. Das soll mir aber nicht gelingen. Das Ziel heute ist es nicht mit 100% zu laufen, sondern eher mit 80% um den Marathon solide ins Ziel zu bringen ohne viel Zeit in die Regeneration investieren zu müssen – die Veitsch steht ja quasi schon vor der Tür
. Ich bin jetzt schon mehr als glücklich, dass mich mein Luxusbody
bis hierher getragen hat. Herrlich, dieses lockere Laufen, endlich bleibt einmal die Zeit um sich auf das Umfeld zu konzentrieren.
Ich kann es aber nicht verhehlen, ab ca. km 30 interessiert es mich dann aber doch allmählich, wie schnell ich laufe. Tja, Vorfreude ist quasi die schönste Freude – da werde ich mich halt gedulden müssen bis die Ergebnisse online sind
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Ab km 34 wird es dann jedoch ziemlich zäh. Es ist schon zu warm und ich spüre den Substanzverlust jetzt relativ deutlich. Ein Schalter wird umgelegt und die ruhige Atmung geht relativ schlagartig in Richtung Schnaufen über
. Jetzt wäre ich schon ganz gerne im Ziel, aber ein bissi eingehen hat noch niemanden geschadet.
Ich baue mich damit auf, dass sämtliche Dänen bei der kleinsten Ministeigung ziemlich eingehen und man dort noch einmal wirklich vieeeeeele Leute überholen kann
(jaja, der – zugegebenerweise peinliche- Triumph der kleinen Frau).
Als weiteren Motivationsfaktor helfen mir die dänischen Fahrräder. Es ist unglaublich, welche Räder dort als Stadträder verwendet werden. Ich komme mir vor wie im Fahrradhimmel. Noch nie zuvor habe ich soviele Fixie-, Singlespeed und Rennradschönheiten auf einem Haufen gesehen. Auch Diebstahlsprobleme scheinen dort nicht so wirklich an der Tagesordnung zu sein, wie bei uns… durchaus feine Räder werden dort einfach irgendwo angekettet und scheinen am nächsten Tag noch da zu sein. Beeindruckend finde ich es auch, dass dort vieeeeeeeeel mehr im Alltag radgefahren wird als bei uns, die Fahrradstreifen sind wesentlich breiter… Seufz
Die letzten Km vergehen somit dann auch sehr schnell. Mit Ulrich ist ausgeredet, dass er mich irgendwo auf den letzten Km abholt. Bei der Menge an Leuten wird das jedoch ziemlich schwierig. Ich konzentriere mich darauf, ihn nicht zu verpassen. Rechtzeitig erkennt er mich und wir laufen gemeinsam ins Ziel, wo gleich eine riesige Medaille und eine Rose auf mich warten
.
Die letzten 8 km waren dann doch anstrengender als ich sie haben wollte, aber ich bin ziemlich zufrieden mit dem Lauf. Als Zielverpflegung winken Joghurt, Riegel, Freibier (Achtung „nur“ Carlsberg - spätestens seit der Euro ja nicht mehr so beliebt bei uns
und dänisches Gebäck.
Wieder in unsere Schiffskajüte zurückgekehrt, waren wir natürlich doch ziemlich gespannt wie sich nun das Marathonlaufen ohne Pulsuhr-Experiment in Zeiten niedergeschlagen hat.
Ulrichs Zeit hatten wir bald gefunden – nur mein Ergebnis war nirgends zu finden. Ich schätzte dass ich irgendetwas zwischen 4.05 und 4.10 gelaufen bin, Ulrich tippte auch knapp unter 4.
Nach zwei Stunden bangen Wartens (ich war ehrlich gesagt ziemlich sauer, dass ich einmal ohne Uhr laufe und dann anscheinend Opfer eines nichtfunktionierenden Chips werde) hatte ich es dann schwarz auf weiß: 3:59:14.
Wow, in Anbetracht der Umstände war das schon sehr fein – vor allem hatte sich der Einbruch auch in Grenzen gehalten und ich bin relativ konstant gelaufen. Das war durchaus einer der am besten gelaufenen Marathons bisher. Als dann am späten Nachmittag ein ordentliches Unwetter über Kopenhagen hereinbricht, liegen wir zufrieden in unserer Schiffskajüte und dösen dahin, die Kinvara die sich als tauglicher Marathonschuh auch für Schnecken erwiesen haben, stehen brav in der Ecke
Kopenhagen, Du siehst mich wieder
!