Weißer SonntagMeinen 4. und bisher letzten Marathon bin ich Herbst 2008 in Graz gelaufen. Es war der erste Marathon, bei dem ich meine PB nicht verbessert hatte. Tschitschi hat damals netter Weise unter meinen Bericht geschrieben "Trainingsaufwand zu Laufzeit sagt: du bist ein fauler Sack!!" Ich bin diesbezüglich natürlich gar nicht nachtragend (wie man sieht
). Beim nächsten Mal sollte ich aber schon ein bisschen mehr tun.
Nachdem ich 2009 kein Marathontraining zusammengebracht hatte, kam schon bald der Beschluss, einen der ersten Frühlingsmarathons 2010 zu laufen damit ich es für heuer vorbei hab. Da hat sich natürlich Linz angeboten, da er von vielen als schön und schnell beschrieben worden ist. Der Termin war eine Woche nach Ostern, in der katholischen Kirche der "Weiße Sonntag". Die Vorbereitung fällt damit in die Fastenzeit, was ganz praktisch ist - weniger saufen, mehr laufen.
Nach meinem obligatorisch versemmelten 3. Longjog in der Vorbereitung (da musste ich mich beidhändig das Stiegengeländer hochziehen, um nach 25km überhaupt noch ins Haus zu kommen) ging es schön langsam immer besser. Tempoläufe machten mir nichts mehr aus. Ich wurde, anders als sonst, je näher der Marathon kam, immer weniger nervös und freute mich immer mehr darauf.
In der letzten Woche, passierte aber das, was immer passiert. Ich inhalierte bei einem der letzen Läufe zu viel kalte Luft, die Lunge tat mir weh, mein Ruhepuls war beim Teufel. Und aus der Vorfreude wurde wieder Nervosität. Auch vier Tage Laufpause brachten keine Besserung. Da ich dieses Gefühl aber schon kenne und die darauffolgenden Marathons immer ganz ordentlich abliefen, reisten wir trotzdem am Samstag nach Linz an. Conny nahm mein Gejammere erst ernst, als auch noch eine Fieberblase auftauchte.
Ohne es ausgemacht zu haben, trafen wir Tina, Bani und Peter im Hotel und gingen gemeinsam zur Marathonmesse. Als wir unsere Wunschzeiten austauschten, nannte ich 3:45, also 2 min über meiner PB. Das war zwar etwas unglaubwürdig, aber ich war mir zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht sicher, ob ich am nächsten Tag überhaupt starten sollte. Weil dann müsste ich jedenfalls 20 km laufen, um zumindest wieder zurück ins Hotel zu kommen.
Anschließend schauten wir noch ins Golden Pub und trafen Klausi, Josef und Sylvia (sehr interessant war übrigens Josefs Carboloading
), später kamen noch Eva und ihr Team. Denn Abend verbrachten Conny und ich unvermeidlicherweise in der Wirtshausbrauerei "Josef". Ich schwöre, ich hab nur ein Bier getrunken.
Die Wettervorhersagen für Sonntag waren, vorsichtig ausgedrückt, wechselhaft. Bis zu Wolkenbruch und Sturm war alles drin. Irgendwann hörte ich auch das Wort "Schneefallgrenze" – Weißer Sonntag eben. Dementsprechend hatte ich auch einen ganzen Koffer Laufgewand mit dabei. Der erste Blick aus dem Fenster brachte aber eine angenehme Überraschung: zwar kalt aber kein Regen und kein Sturm, ideal eigentlich.
Ideal war auch, dass ich einfach 10 min vor dem Start vom Hotel in den Startblock gehen konnte. Banis Tipp gemäß stellte ich mich vor dem 3:45 Pacer auf, später könnte ich mich noch immer schlucken lassen. Sehr angenehm war auch das nicht vorhandene Gedränge im Startblock. Der Startschuss fiel und ich konnte sofort mein Wunschtempo laufen. Alle Zweifel waren weg und ich war sofort im Marathonmodus. Ich suchte mir ein Wohlfühltempo und war überrascht, wie hoch das war.
Die ersten 15 km waren zwar landschaftlich schön, aber auch relativ ruhig an der Donau. Dann kam eine Schleife durch Urfahr, da war ein bisschen mehr los. Zum ersten Mal kam ein kleiner Regenguss. Ich musste zwar schon aufpassen, um nicht in die Lacken zu steigen, blieb aber einigermaßen trocken. Nach der Eisenbahnbrücke stand das erste Mal Conny und reichte mir ein Gel.
Kurze Zeit später kam der erste Graupelschauer. Auch das war im Wetterbericht angekündigt worden, was mich sehr wunderte, ist es doch ein sehr spezielles kleinräumiges Wetterphänomen, das sich eigentlich nicht vorausberechnen lässt. Jetzt konnte ich auch sagen, ich bin Marathon im Hagel gelaufen, schon wieder - Weißer Sonntag. Ich fand das sogar witzig, es kitzelte nur ein bisschen und war wenigstens trocken. Aber es zeigte mir auch, wie knapp alles beisammen lag: Genauso gut hätte es auch zentimetergroße Schloten hageln können, neben den Beulen am Kopf, wären wir dann slapstickartig auf den Eiskugeln dahingerollt.
Bei km 26 kamen wir an der Don-Bosco Kirche vorbei. Hier stand der Pfarrer auf den Kirchenstiegen und feuerte die Läufer an: "Alles Gute und Gottes Segen, das ist Kondition pur!" Ich fand seinen Segensmarathon cool, ein weiterer Beitrag zum Weißen Sonntag. Bei km 27 nahm ich das eine Gel, das ich mir eingesteckt hatte. Bei der Gelegenheit verlor ich auch gleich meinen Reservetraubenzucker. Wurscht, werd ich heute eh nicht mehr brauchen.
Im Wasserwald kam wieder ein bisschen der Regen, der mich aber auch nicht störte. Ich fühlte mich immer noch sehr gut. Ich war schon weiter als bei meinen Longjogs und war viel schneller und es ging mir viel besser. Danach wurde es, fast würde ich sagen endlich, mühsam. Dieses Gefühl gehört ja auch zum Marathon. Ich musste der Versuchung widerstehen, jetzt der Müdigkeit nachzugeben und mich bemühen, möglichst mein Tempo zu halten. Eine PB dürfte ich mir jetzt nicht mehr nehmen lassen.
Bei km 36 freute ich mich auf Conny und mein drittes Gel. Conny, die Tapfere, hatte nicht nur dem Regen getrotzt um mich zu versorgen, sondern auch jede Gelegenheit genutzt, um die Läufer anzufeuern. Auch jetzt hatte sie noch die Ratsche in der Hand. Die erwies sich allerdings ein bisschen hinderlich bei der Übergabe der Wasserflasche und des Gels. Die Flasche erwischte ich gleich, das Gel rutschte mir aus der Hand. Ich konnte es gerade noch vor dem Runterfallen bewahren und nochmal in die Höhe schupfen. Auch der zweite Versuch es zu fassen scheiterte. So lief ich einige Zeit den Gelbeutel vor mich hin jonglierend bis er dann endlich doch zu Boden fiel und Conny mir ihn nachtragen musste. Das wäre sicher eine nette Aufnahme für Sporthoppalas gewesen.
Jetzt ging’s Richtung Innenstadt und Ziel und es war wieder mehr los. Gemein war, dass man ganz in der Nähe des Ziels wieder umdrehen und einen Kilometer stadtauswärts laufen musste. Jetzt nur nicht nachlassen. Genau zum Einbiegen in die Landstraße kam der 3. und diesmal auch wirklich ordentliche Regenguss. Ich lief am letzten Zacken, musste mich voll auf das Kopfsteinplaster konzentrieren und war nass bis auf die Knochen. In den Schuhen quatschte es so richtig, ich hatte nur noch einen Tunnelblick und kam mir vor wie in der Hölle (nix mehr Weißer Sonntag).
Als ich endlich das Ziel sah und auf der Anzeige noch 3:37 stand (die Zeit die mir mein Arbeitskollege "aufgetragen" hatte und die ich als abartig schnell abgetan hatte) machte ich noch ein paar affenartige Schritte in einem Tempo, das ich jetzt nicht mehr für möglich gehalten hätte.
3:37:17, PB. Ich zitterte jetzt vor Kälte, eine Frau half mir, das Plastikregenmanterl anzuziehen. Darunter konnte ich mich gleich gut verstecken und gluckste vor Glück vor mich hin. Ich konnte die hervorragende Ziellabe leider viel zu wenig genießen, weil ich schleunigst trockenes Gewand brauchte. Wenn Conny es nicht netterweise nach dem Start zur Abgabe getragen hätte, ich wäre jetzt erfroren.
Der Tag klang ziemlich gemütlich mit vielen Foris wieder im Golden Pub aus, auch wenn ich mir mit meiner Gurkerl-PB unter all den wundersamen sportlichen Leistungen an diesem Tag sehr klein vor kam.