todo cambia oder doch nicht?todo cambia ist ein songtitel einer liebgewonnen sängerin (mercedes sosa) die vor kurzem verstorben ist und bedeutet, dass ich alles verändert. das ist eine binsenweisheit. eh klar, dass sich alles verändert. manchmal nimmt das leben ganz andere wendungen als man für möglich gehalten hat.
eine weile ist man noch ganz optimistisch dass es schon wieder werden wird, dass ich irgendwann im quasi alten glanz erstrahlen werden und ...dann nach einer gewissen zeitspanne ist auch der körpereigene vorrat an optimismus erschöpft. diesen sommer wird mir im „training“ klar, dass ich zwar noch marathonlaufen kann, aber besser wird da nichts mehr und wenn mir schon einigen seiten kommuniziert wird, dass das ja nicht alles im leben ist bzw. andere dinge wichtiger sind, kann mir das nur ein müdes lächeln abringen. ich finde ich in einer art paralleluniversum wieder… dort schaut alles so aus wie immer und ist doch anders… ich muss mich häufig mit mir selbst arrangieren, teils kommt es mir vor wie ein erbitterter kampf um mich selbst. Ich bin das territorium um das es geht. der kriegsschauplatz befindet sich inmitten der ganz normalen alltags, trainingsszenerie. unblutige kämpfe und dennoch irgendwie gnadenlos, sehr anstrengend und zermürbend.
ein paar wochen vor graz habe ich dann einfach keine lust mehr auf diesen blöden marathon. ich fange an das marathonlaufen regelrecht zu hassen, das ich früher einmal so geliebt habe. wozu mache ich das überhaupt noch? immer weniger puste, keine ausdauer, kein tempo, fast nichts wodurch ich mich motivieren kann, viele scheinbar vollkommen sinnlose kilometer.
das schicksal kommt mir zur hilfe (
) und ein magen darm infekt legt mich für ein paar tage lahm. nach 2 tagen bettruhe mache ich einen falschen schritt (wohlgemerkt) im gehen und irgendein stich in der meniskusgegend zerstört die nächsten 2 laufwochen weitgehend. zu guter letzt besiegelt noch ein schnupfen scheinbar das ende der innigen beziehung zwischen dem grazmarathon und mir
. das schlimmste daran, mir geht das laufen nicht einmal ab...
helga wollte auch in graz laufen und verletzt sich schon zuvor. ich versuche ihr noch einzureden, dass es nicht schlimm ist einen marathon im 6er oder 7er schnitt zu laufen und plötzlich befinde ich mich vermutlich selbst in dieser tempokategorie.
zu motivationszwecken nehme ich dann kontakt zu joachim hauser auf, der ja im frühling/sommer das transeuropean footrace von bari bis zum nordkap bestritten hat. er hat als „leidensgenosse“ schon eine menge einsteckt und ist vom sub 3 läufer und eine +4 h läuferschicht gefallen, kann zwar bis zum nordkap laufen, sub 4 sind aber nicht mehr drin. dennoch gibt er weder nach noch auf... das ist einerseits desillusionierend und andererseits der weg den ich auch hoffe gehen zu können und wow das ist noch jemand der in meinem paralleluniversum lebt
.
niesend und rotzend fahren wir dann doch nach graz, zuvor gibt es einige diskussionen über sinn und unsinn verkühlt einen marathon zu laufen. das schicksal vom km-spiel-fellbär passiert revue…ich kann mir aber nicht dauernd alles kaputt machen lassen. Ulrich ist dann sonntags weitgehend gesund und ich bin zumindest nur mehr so verkühlt, dass ich es mir zutraue durchzulaufen. natürlich ist es unvernünftig, aber würde ich nur mehr laufen wenn ich mich gesund fühle, würde ich schon lange gar nicht mehr laufen
. wirklich motiviert bin ich zwar immer noch nicht, aber wenn ich mir zu gut bin für einen 6er oder 7er schnitt, dann gehöre ich in die kategorie leute die erst dann einen marathon laufen wollen, wenn sie gleich sub 3:30 sub 3 oder was auch immer laufen können (nicht falsch verstehen, das ist natürlich eine vollkommen akzeptable einstellung, man bringt sich nur um einiges dadurch finde ich
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wir schließen dafür einen plan-b-pakt: jeder wird einen gang hinunterschalten und keiner von uns beiden voll laufen.
Sunshine hat sogar für uns die startunterlagen abgeholt und wir haben ein bisschen mehr zeit um uns auszuruhen und ersparen uns dank ihr eine menge umstände!
nach einer erholsamen nacht im hotel (das erste mal, dass ich vor einem marathon wie ein stein geschlafen habe), spiegelt sich meine motivation auch farblich im himmel wider. eEs ist grau in grau. draußen alles nass…. doch schon nach kurzer zeit reißt die wolkendecke auf und es ist erstaunlicherweise alles andere als kalt.
gleich nach den ersten paar metern richtung startbereich scheint sich ulrich eine zerrung eingefangen zu haben… ich hoffe inständig, dass es das jetzt nicht schon war mit dem marathon. wir gehen richtung startgelände bzw. ulrich humpelt… die anderen läufer schauen ihn erstaunt an und denken sich wohl „das kann ja nicht wahr sein, dass der da jetzt mitlaufen will
“. irgendwie wird der schmerz dann aber rasch besser oder einfach die die verbannung durch autosuggestion geschickt.
schon bei der kleidersackabgabe treffe ich martin, carola und eggi. dann bald den martin g., ach graz ist ein dorf
im startblock zwei ist es wesentlich weniger eng als beim nightrun und nach dem startschuss kann man mehr oder weniger schon sehr bald sein tempo laufen. ich bin im richtigen block, zweifle aber daran, als mich wohl sämtliche andere starter kilometerlang überholen. vielleicht war es doch der falsche block? Na ja zu spät, falls es doch so sein sollte.
also was machen wir heute, frage ich mich? achau ma mal. wir schlendern am besten locker darauf los um ganz stark nachzulassen
.
die ersten kilometer gehen so in 5:40 bis 5:30 und auch darunter recht gut dahin nur merke ich bald, dass die beine keinen saft haben. der puls ist nicht großartig, aber das war schon schlimmer. bald ist er eEntschluss gefasst, bis km 15 zu schauen wie es geht und dann zu entscheiden ob flotter oder langsamer. die signale deuten eher in richtung langsamer
. das ist ok so, ich hatte mich auf 4:30 Endzeit eingestellt und bin wirklich überrascht, dass es überhaupt so gut geht.
ich laufe im wohlfühltempo (das ist aber nicht viel langsamer als das auf biegen- und brechen sub 4 Lauf-Tempo
) dahin und lausche den bands die entlang der strecke postiert sind. vor allem elvis scheint selbst sein größter fan zu sein
.
Die strecke ist abwechslungsreich und kurzweilig. Die erste labe lasse ich aus, nach 3 km finde ich es schon ein bissi früh zum trinken. Außerdem muss auch seit dem start aufs klo (doch zuviel getrunken vorher). Das kommt auf meiner prioritätenliste ganz unten und muss in folge warten bis ich im ziel bin und dann eh schon alles herausgeschwitzt habe .
Irgendwann wird mir dann leider klar, dass ich wieder einmal die qual der wahl habe… wenn ich so weiterlaufe, könnte ganz vielleicht… unter umständen…. wenn alles passt…. doch sub 4 möglich sein… grmpf…..eigentlich will ich mich heute nicht anstrengen! immerhin habe ich dem plan b zugestimmt und alles andere wäre ein klarer regelverstoss es nicht zu übertreiben
. die ungewöhnlich früh schmerzenden beine entscheiden diesen zwiespalt eindeutig zu gunsten der vernunft.
die wolkendecke reißt immer wieder auf um sich dann wieder zu schließen, einmal warm einmal kühl, sehr wechselhaft ist es heute.
während ich so dahinzockle merke ich, dass ja meine demotivation ja offensichtlich plötzlich verschwunden ist. hallo? schlechte laune, wo bist du hin??? iIch wollte doch gerade zu laufen aufhören und hast saft- und kraftlose beine und findest das auch noch lustig? ja hier auf der strecke passt plötzlich wieder alles. klare spielregeln, ich weiß ungefähr wie es funktioniert, ein schritt nach dem anderen, pulsgrenzen sind abgesteckt, ich weiß wie viel ich trinken kann und dass…. es einfach irgendwann weh tut und man da zwar durch muss aber eben auch durch kann – egal wie lange es dauert, es ist zu schaffen, einfach dran bleiben. dem marathon kann man seine regeln nicht aufzwingen, er hat seine eigenen und man muss sich einfügen, bis zu einem gewissen grad mit diesen 42,195 km harmonieren, sonst kann man sich aufsammeln lassen.
der anblick des nicht enden wollenden blau-grauen himmels, der breite und bunte dahinwuselnde menschenwurm, die musikalische mischung – alles ist perfekt. iIrgendein gitarrist trifft dann noch die richtigen tasten ähm saiten und ich bekomme einen endorphinschub der nicht von schlechtern eltern ist. Wow der marathon flashed ;-)!
es gibt so momente da fühlt man sich mit der welt und dem universum in vollkommenen einklang und das ist so einer. Eine seltsame mischung aus dankbarkeit, glück, demut… sämtliche dämonen sind derweil im abstellkammerl eingesperrt und haben sendepause
... brav stoppe ich meine km zeiten die mittlerweile immer langsamer werden und quittiere es mit einem innerlichen „zur kenntnis genommen“
. denn es gilt ja © boenald: paragraph eins jedem seins… und heute laufe ich meinen just4fun marathon
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als ich den hm passiere, wird gerade emg interviewt. der kommentator erdreistet sich anzumerken, dass emg’s leistung großartig war, ABER die marathonläufer ja zusätzlich NOCH eine ganze runde absolvieren müssen. er stellt auch uns schnecken als wahrhafte heldinnen und helden dar, was ich sehr charmant finde
!.
ein bisschen störend sind die diesmal schon so früh einsetzenden muskelschmerzen schon, aber das gehört dazu. Ein marathon tut einfach irgendwann weh (zumindest mir
, er ist eben mehr als nur 2 halbe… das bekommt man immer wieder deutlich zu spüren , heute besonders deutlich
in der 2. runde sind die publikumsreihen und auch das teilnehmerfeld schon deutlich ausgedünnt, aber das war vorherzusehen. jetzt geht’s erst richtig los
. ein kurzer regenschauer bei km 33 sorgt für abkühlung, bei km 34 jodelt jemand hinter mir herum und singt lauthals wie gut es ihm heute geht?
offensichtlich hat da einer den verstand verloren! er entpuppt sich dann als sub 4 pacer den ich gerne vorbei lasse und auf seine rattenfänger-jodel-taktik gar nicht erst einsteige. einige andere gehen ihm jedoch keuchend auf dem leim und so zieht der tross von dannen
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auch irgendwo bei 35 „gafft“ mich ein typ immer wieder an, einige male dreht er sich um und schaut mir ins gesicht. das wird schon richtig unangenehm… hab ich etwas im gesicht?
ah ja, genau! er hat ja recht, das nasenpflaster
! das war wohl sein erstes zusammentreffen mit so einem utensil
.
bei km 39 treffe ich dann eine leidensgenossin, der auch schon alles unheimlich weh tut. Wir bauen uns gegenseitig auf und bald schon geht es ab zur zielgeraden! einfach unglaublich wie viele leute hier noch immer stehen und wie man angefeuert wird! es ist wie am ring nur eben bei der grazer oper
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ein wunderschöner lauf war das, ganz wider Erwarten! vielleicht höre ich doch nicht mit dem marathonlaufen auf