4er-Staffel Damen - Wer braucht schon Schlaf?In den letzten Monaten war mein Leben recht stressig: beruflich und privat hat sich einiges getan. Laufen wurde für mich mehr denn je zu einer wichtigen Oase, zur Zeit für mich selbst und zum Kraft tanken. Da ich seit Monaten kaum mehr eine Nacht durchgeschlafen und einigen Speck auf den Rippen angesammelt habe, bin ich meist recht gemütlich unterwegs - zumal ich auch seit 2 Monaten Schmerzen in den Achillessehnen und Wadeln habe (dehnen würde halt nicht schaden, sagt mein Osteopath...). In den letzten Wochen vor Wörschach laufe ich recht brav über 50km/Woche, aber alles deutlich über 6min/km. Ich freue mich sehr auf das Wochenende, es ist ein bisserl wie Urlaub für mich und ausserdem hab ich den Lauf mit allem Drum und Dran von meinem Mann zum 40er geschenkt bekommen.
Freitag, 18 Uhr, Salzburg Hauptbahnhof: Zwischen 100en Fussballfans kämpfe ich mich tapfer mit einer Kiste Bier zu meinem Zug - abgeschirmt von Philipp mit dem Kinderwagen und Jasmin mit ihrem Roller. Der Zug selber ist fast leer, nur schräg gegenüber sitzen 2 Biertrinker, die nach ihrer letzten Dose gierig auf meine Kiste schielen. Ich lege die Beine auf die Kiste und schau böse.
ca. 20:30: Bei strömendem Regen schleppe ich die Kiste und meinen Rucksack aus dem Zug. Es dauert keine 10 Sekunden, stürmen 2 Männer auf mich zu und nehmen mir die Kiste ab. Jetzt hab ich schon mal Gotti und Roland kennengelernt. Wir fahren ins Quartier in Stainach und weils so regnet, gehen wir mit ein paar anderen nur mehr nach nebenan zum Wirten was essen / trinken. Um 23 Uhr schlaf ich schon selig.
Samstag nach dem Frühstück fahre ich mit Roland und Gotti nach Wörschach. Dort erwartet uns ein super Zelt, der Koch lädt auch gerade aus und überall wird aufgebaut. Ich treffe endlich auch Elisabeth und Resi. In einer kurzen "Teambesprechung" sind wir uns schnell einig, dass jede von uns 4 so schnell/langsam läuft, wie es für sie passt und wir uns keinen Druck auferlegen. Allerdings achten wir darauf, dass die Wechsel schnell und gut funktionieren und immer eine von uns unterwegs ist. Wir sind ja nicht (nur) zum Kaffee trinken und Schmäh führen hergekommen. Über diese "Strategie" bin ich sehr froh, weil ich immer noch keine Vorstellung hab, welche Zeiten ich hier laufen werde. Um 14 Uhr startet Resi, sie muss gleich mal 1,5 Runden laufen und wir warten bei unserem Zelt und feuern sie im vorbeilaufen an. Nach Resi geht Elisabeth zum ersten mal auf die Piste und dann bin ich dran. Unterwegs schau ich immer mal auf meinen Puls und erschrecke jedesmal, weil er über 160 liegt. Aber ich bin so aufgedreht, dass ich mich nicht einbremsen kann. Erwartungsgemäss schmerzt mein rechtes Wadl ganz ordentlich und ich nehme mir vor, brav nach jeder Runde zu dehnen. Die erste Runde beende ich luftringend mit 12:35, was ungefähr 5:22 entspricht. Ich jammere über mein Wadl und bekomme von Elisabeth eine Geleinlage für den Schuh. Nach Manuela, Resi und Elisabeth bin ich wieder dran. Diesmal ist der Puls niedriger, aber ich bin nicht langsamer - das ist ja fein. Und das beste ist, dass ich das Wadl gar nicht spür, die Einlage ist ein Traum. Nach ein - zwei weiteren (gefühlsmässig zu schnellen) Runden denke ich nicht mehr über das Tempo nach und renne einfach so schnell weiter, irgendwann wird schon ein Einbruch kommen... So gehts mit viel Spass weiter bis zur Nacht, auch wenn die Runden langsam anstrengender werden.
Der Einbruch kommt mit der Dunkelheit. Wir legen uns nach unserer Runde nieder und wecken uns gegenseitig auf, wenn wir zurückkommen. So hat theoretisch jede ein wenig Zeit, um aufzustehen und den Kreislauf in Schwung zu bringen, läuft dann ihre Runde und kann eine gute halbe Stunde rasten. Heute weiss ich über die Nachtstunden nur mehr, dass mir furchtbar schlecht war, weil ich ein paar Schluck Cola getrunken hab, dass ich die erste Hälfte der Runde immer mit zitternden Lippen gelaufen bin, weil ich so gefroren hab, dass die Resi einmal "verschlafen" hat und mit einem einzigen Satz von der Liege auf der Laufstrecke war (ich weiss aber nicht mehr, ob ich vergessen hab, sie zu wecken), dass um Mitternacht ein Feuerwerk war, wie ich grad losgelaufen bin, dass um 4:30 die vogerl gesungen haben und dass ich mir in meinem Schlafsack immer vorgestellt habe, wie es morgen um 10 Uhr vormittag sein wird. Ich bin die ganze Zeit wohl in einem Dämmerzustand - geschlafen hab ich nicht, aber munter war ich auch nicht. Meine Rundenzeiten pendeln sich bei 15:xx ein, der Puls grundelt bei 120-130 rum.
Irgendwann nach der Vogerlzwitscherrunde kommt die Sonnenaufgangrunde, da erwachen auch meine Lebensgeister wieder. Wie ich so ganz gefühlsdusselig in die aufgehende Sonne hineinlaufe, nehme ich mir vor, ab jetzt jede Runde zu geniessen und alle Eindrücke in mich aufzusaugen, so gut es geht. Nach dieser Runde bleibe ich an der Strecke stehen und feuere die Einzelläufer an. Ich bin so beeindruckt! Als eine Läuferin vorbeikommt, die sich ständig die Tränen aus den Augen wischt, fange ich auch fast zu heulen an.
Unser Koch hat Frühstück aufgebaut. Nachdem sich mein Magen von dem nächtlichen Colaversuch erholt zu haben scheint und lautstarkt knurrt, gönne ich mir 2 Nutellabrote, denen nach den nächsten Runden noch mehrere folgen sollen. Der Vormittag rollt jetzt so richtig dahin, es geht wieder allen gut, immer wieder sind unsere Einzelläufer da, reden vom aufhören oder doch weiterlaufen, es wird gerechnet, gegessen, Schmäh geführt,... Meine Beine sind mittlerweile schon recht müde, aber ich kann wieder 14er-Runden laufen. Jetzt habe ich auch einmal das Glück, einen unserer Einzelläufer auf der Runde zu treffen und somit einen guten Vorwand, eine halbe Runde ganz langsam zu laufen und zu plaudern.
Die Zeit vergeht nun fast zu schnell. Schon bald bin ich auf meiner letzten Runde um 12:30. Die Stimmung ist unglaublich. Ich bedanke mich auf dieser Runde bei den Zuschauern, die z.T. die ganze Nacht vor ihren Häusern an der Strecke gesessen sind, bei den Rundenzählern, die 24 Stunden lang Stimmung gemacht haben und ich klatsche für jeden Einzelläufer, den ich überhole und gratuliere ihm. Diese 2,3 km sind mit Abstand die geilsten, die ich je erlebt habe. Jetzt laufen noch Manuela, Resi und Elisabeth ihre Abschlussrunde. Währenddessen stehe ich mit den anderen an der Strecke und klatsche und juble und schreie für die Läufer, die vorbeikommen. Es ist grandios, sowas muss man erlebt haben.
Bis zur Sirene haben wir noch knapp 10 Minuten und so setzt sich der ganze run42195-Tross in Bewegung Richtung Ziel. Dort wird getanzt und gefeiert.
Ich bleibe nicht mehr recht lange, weil ich mit Vroni nach Stainach fahren kann, dort duschen darf und dann locker meinen Zug erwische. Wir haben sogar soviel Zeit, dass sich noch ein gemütlicher Kaffee in Stainach ausgeht, dann hocken wir uns in den Zug. Vroni steigt nach einiger Zeit aus und ich versuche zu schlafen, was aber nicht geht. Ich finde einfach keine angenehme Position für meine Beine.
4 Tage und Nächte später habe ich den Schlafentzug halbwegs verkraftet - von aufholen kann mit meinen Kindern keine Rede sein. Freitag abend ziehe ich die Laufschuhe wieder an, eine gemütliche Runde geht schon wieder.
Für mich war Wörschach ein wunderschönes Wochenende - ich habe viele nette Foris kennengelernt und war somit auch in der lauffreien Zeit ständig beschäftigt
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Mein Fazit: 24-Stundenlauf - mit diesem Team unter diesen Voraussetzungen jederzeit wieder (oder vielleicht doch erst, wenn die Kinder durchschlafen...). Man muss nicht alleine laufen, um ein wenig an seinen Grenzen zu kratzen.