"Es riecht nach Schnee"
"Es riecht nach Schnee!" ist das erste was ich beim Aussteigen von mir gebe. Nach einer sicheren Autofahrt durch teilweise extremes Wetter sind wir wohlbehalten in unserem Hotel angekommen. Weiter oben sind die Berghänge bereits angezuckert, am See ist es noch trocken. Wir checken ein, packen aus und schon geht es wieder nach St. Wolfgang zum Abendessen und dem anschließenden ernsthaft betriebenen Auffüllen der Flüssigkeitsdepots. Auf dem Nachhauseweg hat sich bereits alles verändert. Schwärmte Elisabeth vorher noch über die tollen Herbstfarben der Bäume, konnten wir inzwischen nur noch die Farbe 'weiß' bewundern. Diese gab es dafür in den Ausführungen feucht-kalt bis nass-gatschig.
Am nächsten Morgen dominiert der Schnee weiterhin das Landschaftsbild, irgendwie scheint auch noch mehr von dem Zeug runter zu kommen. Ich bereue bereits jetzt, dass ich nicht die wasserabweisenden Schuhe mitgenommen habe.
Egal! Wir ziehen uns dick an und gehen die Startnummern abholen. Bereits der Hinweg ist kein Spaziergang, jedoch der Rückweg raubt mir die letzte Motivation. Meine Schuhe sind ein Schwimmbad, der triefend nasse Schneegatsch zerrinnt als Kühlmittel für meine Füße.
Im Hotel freue ich mich sehr über die Sauna, die ist trocken und warm! Das ist mir eindeutig lieber als kalt und feucht. Die Schuhe bekommen über die Nacht eine Heißluftbehandlung auf dem Heizkörper und ich verkrieche mich unter die Decke.
Auch am Wettkampftag liegt Schnee und zur Abwechslung schneit es mal wieder. Wenigstens ist meine Stimmung besser und ich bin soweit optimistisch das ich auch nach dem Lauf noch meine Zehen spüren werde.
Christian und ich laufen ab dem Hotel zum Startbereich – mein Puls ist jetzt schon oben! Das kann ja heiter werden. "Sind wir Sportler und sind wir Weicheier", blödelt Christian noch herum. "Du, für meinen Teil entscheide ich das nachher. Das weiß ich jetzt noch nicht.", antworte ich wahrheitsgemäß. Obwohl aufgeben - irgendwo da drüber auf der anderen Seite des Sees - sicher blöder ist als weiterlaufen.
Bald kommen Rudi und Michi in Sicht und die letzten paar Meter bis zum Startbereich legen wir gemeinsam zurück. Überraschend viele Läuferinnen und Läufer sind unterwegs – dachte schon die Verrücktenwertung hätte ich sicher in der Tasche.
"Bitte, passt auf die herabfallenden Äste auf! ..... Wir haben zwar versucht die Strecke vom Schnee zu befreien, aber überall ist uns das nicht gelungen. ..... An manchen Stellen sind Bäume umgeknickt, wir versuchen diese noch weg zu räumen. ...... Bitte, seid vorsichtig!", hört man als Motivationsunterlage vor dem Start. Ich treffe noch einen Arbeitskollegen, wünsche alles Gute und kurz darauf geht es für den ersten Startblock los. Ich stelle mich in den zweiten Block zu Rudi, Gerd und Michi. Gemeinsam wollen wir den Lauf angehen. Der Start erfolgt und es geht langsam los. Zuschauer applaudieren und manchen steht eher das Mitleid ins Gesicht geschrieben. Wir überqueren die ersten Wasserlacken und die ersten kleinen Rinnsale – meine Schuhe bleiben noch trocken.
Michi zieht an und legt auf den ersten Kilometer eine ganz brauchbare Geschwindigkeit hin. Für mich eigentlich zu schnell, der Puls ist laut Uhr außerdem zu hoch.
Ein Böllerschuß knallt – ein untrügerliches Indiz das der erste Läufer auf dem Falkenstein angekommen ist. Entweder das oder so wird mit unliebsamen Führenden umgegangen. Da noch 5 weitere Böllerschüsse ertönen gehe ich aber davon aus, das die ersten 3 Damen und die ersten 3 Herren den Berg überquert haben. Wir hingegen sehen noch nicht mal eine Steigung...
Nach ein paar weiteren gekonnt ausgewichenen Pfützen, Bächen und Schneeinseln geht es auch für uns in den Berg hinein. Vor mir läuft Michi – ich gehe. Der Läuferlindwurm wälzt sich den Hang hinauf, wir stecken mittendrin. Kurz darauf gehe ich an Michi vorbei. "Siehst, hat Dir auch nix genutzt!", entfährt es mir – wobei ich mich darauf beziehe das hier zu laufen sinnlos ist.
"So ein Scheiß!", höre ich neben mir. Ich betrachte den aufgeweichten erdigen Boden und erwidere: "Nein kein Schaß, des is Gatsch!". Weiter geht es Schritt für Schritt den Berg hinauf. Ich versuche möglichst wenig Schnee und Wasser in den Schuh zu bekommen indem ich dem Tritt des Vordermannes folge. Wir steigen höher und höher, rundherum nur Schnee – kurz darauf auch in meinem Genick. Ein paar Schritte weiter schaufelt ein Team einen umgestürzten Baumstamm frei um uns den Aufstieg zu erleichtern.
Inzwischen habe ich Rudi und Michi aus den Augen verloren und steige nur noch mit Gerd den Hang hinauf. Kurz darauf sind wir oben und es geht auf der anderen Seite runter.
Gerd versucht zu rutschen, ich haue lieber die Haken in den Schnee um die Zehen wasserfrei zu halten. Wir blödeln herum, unterhalten uns ganz nett mit einem Mädel bevor sie uns trockene Füße wünscht und wir ihrer enteilen. Bergab ist die Strecke glücklicherweise weniger schlimm als befürchtet und so bleiben uns diverse Ausrutscher erspart. Der See kommt in Sicht, wir hören die Labestelle welche wir kurz darauf erreichen. Es gibt heißen Tee – welche Wohltat!
Wir blicken uns um und suchen Michi und Rudi, die kommen jedoch nicht in Sicht. Ich will das Tempo reduzieren, Gerd erhöht das Tempo ein wenig. Daher lasse ich ihn ziehen und wünsche ihm alles Gute.
Ich blicke mich immer wieder um, erspähe jedoch weder Rudi noch Michael. Alleine trabe ich weiter und stelle mich auf lange 20km ein. Nach dem Seeweg erreicht man etwa bei Kilometer 8 wieder eine asphaltierte Strasse. Ich renne ein paar Schritte rückwärts den Hang hinauf, aber ich sehe keinen Rudi und auch keinen Michi!
Kurz vor Kilometer 9 leuchtet das gelb-schwarze Shirt von Gerd vor mir auf. Ich schließe die Lücke und werde bei der Labe sogar namentlich angekündigt. Nun laufen wir wieder gemeinsam und ziehen das Tempo an. Permanent sind wir zwischen 05:25 und 05:50, es läuft sich gut.
Ab Kilometer 14 haben wir wieder ein Mädl und einen Typen zum Quatschen. Wir unterhalten uns gemütlich, blödeln herum und genießen den Lauf. Bei Kilometer 15 biegen wir ab und laufen in den Wald, eine stark schwingende Brücke bei Kilometer 16 und dann der Start zum 10er bei Kilometer 17. Es läuft immer noch und etwa einen Kilometer später haben wir auch unsere Gesprächspartner wieder eingeholt und kurz darauf überholt.
Dann passiert es bei Kilometer 19! Klar, waren die Schuhe schon innen feucht. Natürlich sickerte die Feuchtigkeit schon überall rein, aber erst bei einer weiteren riesigen Pfütze wurden die Füße nun endgültig nass.
Gerd kann nicht mehr mithalten und steckt zurück, ich drehe noch mehr auf. Ich will jetzt ins Ziel, dann auslaufen zum Hotel, duschen und endlich in trocken Sachen! Bald ist der Kilometer 21 erreicht, ich überhole unglaublich viele Leute. So schnell bin ich doch gar nicht, oder?
Bei Kilometer 22 werfe ich doch wieder einmal einen Blick auf die Pulsuhr. Der Puls ist mit 178 sicher zu hoch, ist mir aber auch egal! Der nächste Kilometer ist mit 05:05 der schnellste, aber auch am Bürgelstein entlang düse ich an einigen Läufern vorbei. Die Steigung macht mir wenig aus und oben blicke ich mich um und suche nach den Farben gelb-schwarz.
Es geht am Hotel vorbei und ich werde angefeuert. "Etwa 300Meter dann kommt Gerd!", teile ich im Vorbeilaufen mit. Das Tempo bleibt mit etwa 05:30 weiterhin recht hoch, der Puls geht weiter rauf. Weiter vorne treffe ich auf Karin, Thomas und Marie – dann bin ich auch schon wieder vorbei. Der letzte Kilometer, ich laufe die letzte Steigung hinauf und überhole auf einen relativ kurzen Stück noch mal 5-8 Läufer(innen).
Dann geht es runter, über die Matte in die letzte Kurve. Ein letztes Mal wird das Tempo erhöht, tut auch gar nicht weh, ein letzter Läufer wird überholt bevor ich die Ziellinie überquere.
Ich hole meine Medaille, warte auf Gerd um ihm zu gratulieren und mache mich auf den Rückweg.
Michi wird angefeuert, ebenso Rudi und auch das Mädel welche uns eine Zeit begleitet hat treffe ich wieder. Dann geht es zurück zum Hotel. Ich beobachte die entgegenkommenden Läufer welche kurz vor dem Ziel sind, während ich an ihnen mit einem knappen 6er Schnitt vorbeilaufe.
Bald ist das Hotel in Sicht und nach einer schnellen Dusche freue ich mich riesig über ein Paar trockene Socken, einen trockenen Pullover und vor allem trockene Schuhe!
Es war ein schöner Lauf - kalt, naß und eine Woche vor einem Marathon völlig irrsinnig - aber schön und lustig war es trotzdem.