Autor Thema: 2007-04-29 vienna city marathon - pipel  (Gelesen 1570 mal)

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« am: 29.04.2007, 00:00:00 »
Datum: 2007-04-29
Event: vienna city marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: pipel

Offline pipel

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #1 am: 29.04.2007, 00:00:00 »
Alles ganz anders!

Mein zweiter Marathon also. Lang herbeigesehnt und dann doch so plötzlich Realität. Die Erkenntnis, wieder nicht optimal trainiert zu haben und doch die Hoffnung auf eine tolle Zeit. Das Bangen um gutes Wetter und irgendwann die Gewissheit, dass es warm, sehr warm werden würde. Und trotz allem die Vorfreude und ein ganz großer Bonus: Diesmal würde ich nicht allein laufen, diesmal gibt es das Forum.

Aufstehen um halb sechs und frühstücken. Die letzten Vorbereitungen erledigen und ab in die U-Bahn zum ersten Forumstreffpunkt am Stephansplatz. Dort wartet schon ein ganzes Rudel von Forianern und die Vorfreude steigert sich noch einmal. Das schlägt sich bei mir sofort auf die Blase, ein versperrtes Herren-WC und die Pinkelgebühr von EUR 0,50 verhindern allerdings die sofortige Erleichterung. Es geht weiter nach Kagran (gut gemeinte Aussteige-Ratschläge von Auch-Läufern in der Station Alte Donau inklusive), wo der Rest des Forums schon wartet. Endlich Klopause und die Welt sieht gleich wieder entspannter aus. Vom Vorjahr bin ich in dieser Hinsicht ja noch geprägt und wollte heuer unbedingt verhindern, auf der Strecke wieder 5 Minuten zu verpinkeln (der 5-Minuten-Nachteil sozusagen). Abmarsch Richtung Start.

Auf dem Weg zum Startgelände entwickelt sich eine 3:30er-Laufgemeinschaft bestehend aus boenald, crow, frzka und mir und wir beschließen, den Marathon so lange wie möglich als Gruppe zu laufen. Nach einigen Diskussionen wählen wir aus den verfügbaren bunten Punkten auf unseren Startnummern den blauen Startblock ganz vorne links und reihen uns ebendort ein. Die Nervosität fordert bei mir noch zweimal ihren Tribut und ich sorge für die Bewässerung der das Startgelände umgebenden Büsche. Vor den Mobilclos das übliche Bild, worauf es einige vorziehen, sich hinter diesen in die Büsche zu schlagen, was die dort ansässigen Gartenbesitzer offenbar soweit erregt, dass sie sich mit Wurfgeschossen gegen die drohende Überdüngung der angrenzenden Böschungen zur Wehr setzen. Was lernen wir daraus? Pinkeln vor dem Marathon kann Ihre Gesundheit gefährden.

Um 9 Uhr ertönt – mitten in den Donauwalzer hinein – endlich die Starthupe und das Feld setzt sich zögernd, sehr zögernd in Bewegung. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zeit vor dem Start aber diesmal wie im Flug vergangen. Erstaunlicherweise können wir von Anfang an unser angestrebtes Tempo laufen. Im gemütlichen 5:10er-Schnitt geht es die Reichsbrücke hinauf, wo Fredmann zum ersten Mal mit der Kamera wartet. Wir winken brav in die Kamera, dafür verpassen wir gleich mal das erste Kilometerschild. Macht nix, kommen ja noch 41. ;) Die Masse wälzt sich die Reichsbrücke wieder hinunter und ich genieße es, fast unbehindert mein Tempo laufen zu können. Bei Km 2 bekommen wir die Bestätigung, dass unser vorsichtiges Anfangstempo von etwa 5:10 passt. Auch der Flaschenhals Prater entpuppt sich dieses Mal als nicht so wild, so dass wir die erste Verpflegungsstelle ungehindert erreichen. In den Wirren der Wasserstelle zerfällt allerdings die Gruppe fast, crow finde ich kurz nachher wieder, boenald und frzka sind aber weg.

Auf der Schüttelstraße schließt boenald wieder zu uns auf und wir können das Tempo langsam steigern und pendeln uns für drei Kilometer auf 5:00 bis 5:05 ein. Alles auf Schiene, schließlich wollten wir ja vorsichtig beginnen und versuchen einen Negative Split zu erreichen. Es war allerdings schon ziemlich warm und wir begannen, bei jeder Möglichkeit Kühlwasser über Kopf und Körper zu schütten. Ein nasses Shirt kühlt auch ganz gut. Nach 5 km steigern wir das Tempo auf 4:50 und laufen über die Schüttelstraße und die Schwedenbrücke auf den Ring. Ab Schwedenplatz tauchen dann vermehrt Zuschauer auf und die Stimmung steigt. Eigentlich mag ich diesen ersten Teil der Stecke nicht so und ich freu mich jedesmal, wenn ich endlich am Ring bin. Ich merke aber auch schon, dass meine Beine nicht hundertprozentig locker sind und dass der Puls eine Spur zu hoch ist. Mein Optimalziel 3:25 hake ich schon mal ab und ich merke, dass auch sub 3:30 heute sehr schwer werden.

Beim Stubentor wartet zum ersten Mal meine Familie auf mich und das gibt zusätzliche Motivation. Unsere Gruppe hält die nächsten Kilometer einen Schnitt zwischen 4:50 und 5:00 und wir traben das Wiental hinaus, nur frzka haben wir endgültig verloren. Ich genieße das Laufen in der Gruppe und hier im Wiental beginnt es auch wieder Spaß zu machen. So wie es scheint, beginnt der Marathon für mich erst so richtig im Wiental. Es ist ziemlich heiß und ich bin froh, dass ich den wunderschönen hellblauen Schwamm diesmal mitgenommen habe, damit kann ich auch das Gesicht ein wenig kühlen. Vor Schönbrunn dann die erste Staffelübergabe mit dem üblichen Chaos und wenig Platz zum Laufen.

Ab dem Technischen Museum geht es endlich bergab und wir versuchen, das Tempo nochmals ein wenig anzuziehen. Zweiter Treffpunkt mit meiner Familie ist bei der Station Zieglergasse, direkt hinter einem Rettungswagen. Ein Halbmarathon-Läufer war direkt vor Andrea und Karoline kollabiert und Andrea durfte sich die Wartezeit mit Erstversorgung verkürzen. Trotz aller Hektik fand Karoline aber noch die Zeit, mir mitzuteilen, dass sie endlich, endlich einen ihrer Wackelzähne losgeworden ist. Das sorgte für Erheiterung nicht nur bei mir, sondern auch bei den umstehenden Zuschauern. Dermaßen motiviert laufen wir weiter die Mariahilferstraße hinunter und steuern, immer gut gekühlt, Fredmanns Kamerastandort an. Wessi holt uns mit dem Luftballon ab und wir winken zu dritt in die Kamera.

Wir treffen zum ersten Mal auf das Heldentor, aber abbiegen ist keine Option. Es geht uns gut und wir passieren den Halbmarathon in 1:45:28. Innerlich beginne ich mich von sub 3:30 zu verabschieden. Die nächsten Kilometer über den Ring, die Lichtensteinstraße und den Julius-Tandler-Platz legen wir in einem Schnitt zwischen 4:55 und 5:00 zurück. Noch hoffe ich, die fehlenden 30 Sekunden aufzuholen und noch einen Negative Split zu schaffen. Als nächstes folgt die endlose Schüttelstraße, das Teilstück, das ich am wenigsten leiden kann. Wenig Zuschauer, kaum Schatten, dafür endlose Brücken mit kleinen, aber gemeinen Anstiegen. Nach etwa 24 Kilometer melden sich die Blasen von boenald und mir synchron und wir machen einen Abstecher in die Büsche. Crow läuft langsam weiter und mein Boxenstopp war leider am längsten, so dass ich ziemliche Mühe habe, die beiden wieder einzuholen und meiner Pulskurve eine Beule nach oben verschaffe. Sicher nicht optimal für den weiteren Rennverlauf, aber halt der Nachteil des Teamlaufs. :(

Kurz bevor wir in den Prater abbiegen kommt uns zuerst die führende Frau und dann die Susanne Pumper entgegen, die schon ein bisschen gezeichnet wirkt. Also offenbar auch kein Tag für die Elite und das tröstet mich ein wenig. Ab Kilometer 30 bemerke ich, dass das heute kein Spaziergang werden wird und ich bin froh und dankbar, dass ich mich an die beiden anderen anhalten kann. Noch bleiben die Kilometerzeiten unter 5:00, aber ich beginne mich zu quälen. Bei Kilometer 31 wartet Ulrich auf uns um boenald ins Ziel zu ziehen. Ich merke dass es immer schwerer wird, das Tempo zu halten und beginne abzureissen. Ab Kilometer 35 steigen auch die Durchgangszeiten auf über 5 Minuten und ich falle zurück Ich sehe, dass crow auch schon abgerissen ist, aber schaffe es auch nicht ihn einzuholen.

Bei Km 36 stehen nochmals meine Lieben, ich werde mein Bauchtascherl los und schaffe es zur großen Freude meiner Tochter, mit ihr abzuklatschen. Eigentlich mag ich schon nimmer und der Kopf beginnt, das Kommando über die Beine zu übernehmen. Nochmals Schüttelstraße. Nur der Gedanke, dass es nicht mehr so weit ist, hält mich am Laufen und die Kilometerzeiten wandern Richtung 5:15. Ich verbiete mir, es ihnen gleich zu tun und auch zu wandern, da kommt mir jetzt meine Sturheit zu gute: Das hier ist ein Marathon, da wird nicht gegangen, denke ich mir, und außerdem dauert es ja dann noch länger. Also bewege ich dieses starre, pampstige Zeug, das vor ein paar Stunden noch Beine hieß, weiter über meine Lieblingsstraße. Bei der Römerquelle Wasserstelle treffe ich auf crow, der zum ersten Mal nach einer Verpflegungsstelle geht und versuche ihn mitzunehmen. Die nächsten paar Kilometer laufen wir wieder gemeinsam, aber auf der Franzensbrücke verliere ich ihn endgültig.

Meine Kilometerzeiten, wenn ich die Schilder überhaupt noch wahrnehme, sind endgültig bei 5:15 und mehr angelangt, Negative Split und 3:30 sind in weiter Ferne, aber endlich, endlich bin ich auf der Ringstraße. Beim Stadtpark kommt mir noch auf der Strecke eine wandernde Touristengruppe entgegen. Mindestens 100 Personen, die einfach auf der Stecke, gegen die Laufrichtung spazieren und nicht mal applaudieren. Meine Appelle verhallen ungehört. Wahrscheinlich war ich nicht freundlich genug. ;)

Schwarzenbergplatz. Land in Sicht. Die Beine tun nur mehr weh, aber im Kopf wird alles gut. Die Stimmung wieder unbeschreiblich, auf den letzten paar hundert Metern haben die Zuschauer ein Spalier von vielleicht 1,5m Breite gebildet und ich laufe da ziemlich alleine durch. Gänsehaut pur. Was kümmern mich meine Beine, wenn ich das erleben darf! Ich merke, dass sich noch eine niedrige 3:30er Zeit ausgeht und mobilisiere die letzten Kräfte. Beim Einlaufen in den Heldenplatz überkommen mich nochmals Glücksgefühle, was kümmert mich das verpasste Ziel? Ich breite die Arme aus und renne aufs Ziel zu. Kurz vorher höre ich noch meine Karoline „PIIIPEL“ brüllen drehe mich um und sehe meine Tochter jubeln. Ich lauf über die Ziellinie: 3:32:01. Fix und fertig. Glücklich.

Jetzt habe ich mein Marathon-Erlebnis. Danke allen, die mich auf und an der Stecke, vor und nach dem Lauf unterstützt haben.
Stop the world — I wanna get on!
(Leo Bloom in "The Producers")

Offline Ulrich

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #2 am: 30.04.2007, 13:43:08 »
Was für ein Zieleinlauf, angefeuert von der Tochter, der Frau und dann noch so eine Zeit, BRAVO!
Weil 42 die Antwort ist und 130 der Sinn

Offline boenald

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #3 am: 30.04.2007, 13:44:41 »
auch wenn der teamlauf, wie du richtig bemerkst, nicht nur vorteile hat, in der gestrigen konstellation gerne und jederzeit wieder! es war mir ein fest und hat riesenspaß gemacht (unbestreitbarer vorteil des teamlaufs... ;))
und: gratuliere zum marathon-erlebnis!!
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline KITTY

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #4 am: 30.04.2007, 13:56:55 »
Beim zweiten Marathon schon so eine beachtliche Zeit hinzulegen...da kann man wirklich nur gratulieren. Super bist gelaufen.Bravo.
lg
peter

Offline elisabeth

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #5 am: 30.04.2007, 14:06:09 »
Toller Lauf Peter!!!
Spitzen Zeit!!

Offline heitzko

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #6 am: 30.04.2007, 14:12:41 »

du hast dich riesig gesteigert, seit letztem jahr! also schööööön brav zufrieden sein mit dieser absolut hervorragenden laufleistung!

mit dem "sich-zeiten-ausrechnen" ist es echt immer so eine sache... kann funktionieren oder nicht. hauptaufgabe am tag x ist die tagesverfassung richtig einzuschätzen und möglichst unbeschadet ins ziel zu kommen. das hast super geschafft in einer traumzeit! bravo!

....dass sie sich mit Wurfgeschossen gegen die drohende Überdüngung der angrenzenden Böschungen zur Wehr setzen. Was lernen wir daraus? Pinkeln vor dem Marathon kann Ihre Gesundheit gefährden....

danke für den hinweis! werde mir also keine gärten mehr aussuchen sondern wieder unschuldige autos :D

Offline JM

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #7 am: 30.04.2007, 15:07:44 »
Danke für den tollen Bericht !
Und Gratulation noch mal zu deiner tollen Zeit !
Jetzt, wo ich auch deine Laufziele kenne, freue ich mich schon auf viele gemeinsame Lauferlebnisse, haben wir doch ein gemeinsames Ziel =)
When your life flashes before your eyes, make sure you’ve got plenty to watch

Offline crow

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #8 am: 30.04.2007, 19:49:57 »
Peter, auch ein sehr netter Bericht und eine super Leistung. War echt super, mit dir zu laufen
LG Andy
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Offline johnlennon

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2007-04-29 vienna city marathon - pipel
« Antwort #9 am: 03.05.2007, 12:11:11 »
super bericht . gratuliere zur tollen zeitverbesserung nochdazu bei diesem wetter!

 

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